Wir vertreten die MAINung, dass Politik von der Diskussion lebt. Dieser Idee haben wir unseren Blog gewidmet. Wir sind Nikolaus Barth und Daniel Müller. Langjährig in der Jungen Union/CSU aktiv und zwischenzeitlich in verschiedenen Berufen und Orten beheimatet. Wir sind unseren Wurzeln dennoch weiterhin verbunden und mit dem steten Drang sich zu Wort zu melden. Die Themen reichen vom Untermain über München und Berlin bis nach Brüssel und darüber hinaus.

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Montag, 3. Januar 2011

Atatürks Erben

Istanbul. Wer der Stadt am Bosporus einen Besuch abstattet, kommt als Europäer nicht umher die Stadt unter einem politischen Blickwinkel zu betrachten. Auf den Spuren Atatürks lässt sich vieles über die Perspektiven der ganzen Türkei sagen.

Istanbul zählt zu den größten Metropolen der Welt. Sie ist mit großem Abstand die größte Stadt der Türkei und Europas. Die Geschichte ist beeindruckend. Die Stadt war in allen Zeiten ein Punkt religöser Spannungen und zugleich Mittelpunkt verschiedener Kulturen gewesen.

Istanbul entwickelte sich in den vergangenen 87 Jahren und zu einer türkischen Stadt mit westlichen Ambitionen. Stark und prägend ist der Stolz der Türken auf ihre Stadt. Es ist bemerkenswert, dass die Türkei im letzten Jahrzehnt einen fast beispielslose Aufstieg erfuhr. Vorbei sind die Zeiten in denen nur Istanbul und bestenfalls das Militär dem Anspruch des Westens genügte. Längst ist die Stadt zur Finanzmetropole einer der größten Volkswirtschaften der Welt geworden mit dem Fokus auf mehr.

Entsprechend modern ist das Bild. Bars und Restaurants die ebenso gut in London, New York oder Wien stehen könnten. Viele junge Leute prägen ein westliches Bild, dass so gar nicht zu der deutschen Vorstellung der Türkei passt. Außer der Moscheen und islamischen Heiligtümer entsteht ein Bild, das Istanbul als weltoffene, moderne und innovative Stadt präsentiert.

Doch bleibt die Frage inwiefern das Bild Istanbuls mit dem der gesamten Türkei übereinstimmt. Und was von Mustafa Kemals Erbe heute übrig ist. Gerade in Istanbul ist dieses noch überdurchschnittlich häufig zu sehen.

Die akuelle türkische Regierung unter Ministerpräsident Erdogan, der auch vier Jahre Oberbürgermeister der Stadt Istanbul war, ist vom Aufbruch und dem Weg nach Europa gekennzeichnet. Dabei ist der wirtschaftliche Aufbruch zweifelsfrei imposant. Der zweite Teil des Aufbruchs betrifft die Abwendung vom bisher dominanten kemalistischen Gedankengut eines religionsfreien und proeuropäischen Staatsgebildes. Zwar setzte Erdogan die Verhandlungen über den Beitritt seines Landes in die EU fort, doch vieles deutet auch auf eine andere Sichtweise hin.

So hat die Regierung weitreichende Verfassungsänderungen durchgesetzt, die ein Bruch mit dem Erbe Atatürks darstellen. Die Demokratisierung der Türkei für den Beitritt zur EU ermöglicht ein Zurückdrägen des Einflusses der Armee und gleichzeitig eine wenn auch derzeit unproblematische Hinwendung zur Religion. Beispielsweise wurden die Steuern für Alkohol und Tabak deutlichst erhöht, was sicher mit islamischen Vorstellungen einhergeht.

Mit Spannung ist daher die weitere Entwicklung der Türkei zu beobachten. Solange es den Türken jedes Jahr etwas besser geht, wird die Popularität der aktuellen Regierung steigen und Atatürks Erbe verblassen. Ob der kleinasiatische Staat am Ende den Beitritt zur EU wirklich sucht oder nicht doch eine Sonderrolle ausfüllt ist eine berechtigte Frage.

Wer sich dieser Frage wirklich tatsächlich stellt, wird auch weiterhin feststellen, dass die Türkei nicht Teil Europas sein kann. Auch der Weg einer priviligierten Partnerschaft ist falsch. Die Türkei ist die Brücke zwischen zwei Welten, zwischen Abend- und Morgenland. Sie ist stark genug alleine eine gute Zukunft zu gestalten. Die Brückenrolle wird für Europa von entscheidender Bedeutung sein. Umso wichtiger ist ein gutes Verhältnis nach Istanbul und Ankara und ein noch besseres Verständnis für die türkische Sache.