München. Der Name Jens Marco Scherf, gewählter Landrat von Miltenberg, verursacht derzeit innerhalb der CSU Schockstarren. Für manchen der Super-GAU, für andere eine völlig normale demokratische Entscheidung. Beiden gemein sind die Fragen nach dem wieso, weshalb, warum. Für mich ein Grund sechs Jahre zurückzublicken und mit einem Vergleich die Analyse zu beginnen.
Gewählt wird, wer bekannt und sympathisch ist. Diese sehr einfache Formel des politischen Tagesgeschäfts mag als Prolog dienen. Sie wird häufig unterschätzt, nicht selten ignoriert und ist doch die beste Grundlage für erfolgreiche Wahlkämpfer.
Zurück ins Jahr 2007 nach Klingenberg. Es ist Spätsommer. Gesucht wird ein geeigneter Bürgermeisterkandidat als Lokomotive für die Kommunalwahlen im Frühjahr 2008. Die Personaldecke in allen drei zum Stadtverband gehörenden Ortsverbänden ist dünn. Die Mitteljahrgänge (30-50) fehlen. Ein externer Kandidat wird gesucht und gefunden, er stößt nicht bei allen Parteifreunden auf Gegenliebe. Innerparteilich demokratisch durch eine Stichwahl legitimiert, beginnt er den aussichtslosen Kampf um das Rathaus. Er verliert ihn krachend, auch weil die Reihen der CSU nicht geschlossen sind. Die Partei verliert zudem die Wahlen zum Stadtrat und in der Folgezeit reden die Parteifreunde mehr über als miteinander. In Kurzform erzählt, was der ein oder andere in allen facettenreichen Details so oder so schon einmal gehört hat.
Ursächlich für die Niederlage war unter anderem die dünne Personaldecke. Der Partei fehlten junge, bekannte und sympathische Gesichter, die gemeinsam etwas bewegen wollen. Dabei fehlt nicht so sehr der Nachwuchs generell. Die Vereinbarkeit von Beruf und Politik bremst die aktive Mitarbeit dieser Altersgruppe. Außerhalb des öffentlichen Dienstes kann das politische Engagement in diesen Fällen nur mit Unterstützung und Verständnis der Partei gelingen. Doch wer dieses Grundbedürfnis nicht befriedigen kann, dem wir der Mittelbau stets fehlen.
Fehlerhaft war die viel zu späte Nominierung, weniger als ein Jahr vor der Wahl, und die anschließende Unfähigkeit in der verbleibenden Zeit die Reihen wieder zu schließen. Folglich entstand der Eindruck, die CSU kämpfe mit sich selbst, was auch durch Werbebroschüren ohne Namensnennung des Kandidaten belegbar war. Dieser Mangel an Geschlossenheit motivierte selbst Stammwähler nicht zur Urne zu gehen. Es galt das alte Scharnagl-Zitat, dass ein Drittel der Parteifreunde den Kandidaten leidenschaftlich unterstützte, das zweite Drittel nur das Nötigste tat und der letzte Teil zu Hause abwartete, ob man zum Gratulieren oder Kondolieren in das Rathaus eilen müsste. Das ist meistens so, es kommt jedoch auf die Ausprägung der Einzelteile an.
Als Folge möge das Ergebnis bei den diesjährigen Stadtratswahlen in Klingenberg dienen. Die CSU verlor trotz Aufbruchstimmung weiter an Wählergunst und damit ein Stadtratsmandat. Klar hätte der vorschlagende Vorsitzende diese Folgen mildern können, wenn er unmittelbar nach dem Urnengang 2008 die politische Verantwortung für dieses Debakel übernommen hätte und zurückgetreten wäre. Da dem nicht so war, wurde der Kandidat zusätzlich in sinnlose Debatten verwickelt, obgleich sein Schutz vor inhaltsloser Kritik schon aus Respekt vor der Bereitschaft zur Kandidatur in allen Fällen hätte gelten müssen. Andernfalls wird es immer schwieriger Menschen zur Übernahme von politische Verantwortung im Rahmen von Parteiarbeit zu überzeugen. Der Vorsitzende, der nicht zurücktrat, war im übrigen der Autor selbst.
Die Klingenberger Ursachen, Fehler und Folgen lassen sich einfach auf die jüngste Landratswahl in Miltenberg übertragen. Eine Ausnahme gibt es natürlich: Der CSU-Kandidat hatte einen CSU-Vorgänger, der ein Erbe vermachte. Aber der Reihe nach.
Auch auf höherer Ebene fehlt der Mittelbau. Das Personaltableau in Form der Kreistagsliste wirkt, und das ist vorwurfsfrei zu verstehen und in anderen Parteien ähnlich, einfach 6 Jahre älter. Junge Kandidaten fehlen nicht, aber sie werden selbst wenn sie auf guten Listenplätzen stehen, nicht gewählt. Die CSU spürt diesen Mangel auf Kreistagsebene kaum, weil ein großes Heer an Bürgermeistern und Abgeordneten zur Verfügung steht, das gewählt werden will, aus Gründen der Bekanntheit gewählt wird und dadurch weniger bekannte Kandidaten chancenlos sind oder nur mit erheblichem Aufwand „vorgewählt“ werden. Doch wem eine solche Truppe fehlt, der wirkt auf bestimmte Wählergruppen weniger attraktiv und glaubwürdig, wenn es darum geht beispielsweise Familienpolitik aktiv zu gestalten. Gleichzeitig fehlt ihm ein Kern aktiver Wahlkämpfer, da nicht selten die etablierten Kräfte um die eigene Wiederwahl auf Gemeindeebene ringen müssen.
Fehler sind nicht objektiv. Doch verleitet das Klingenberger Beispiel auf die innerparteiliche Geschlossenheit zu kommen. Wenn auf der einen Seite ein Kandidat von drei Parteien Unterstützung erfährt und der andere diese nicht vollständig, dann ist das bestenfalls keine gute Ausgangslage. Es fehlt die Nähe, dass zu kommentieren. Es bleibt Eindruck, dass das Scharnagl-Zitat gilt.
Die Folgen sind nicht absehbar. In jeder Niederlage steckt der Reiz des Neuanfangs. Das Ganze als einmaligen Betriebsunfall abzuhaken und zur Tagesordnung überzugehen, wäre sicherlich ein Fehler, genauso wie die Interpretation, dass ein junger Landrat mit brüchiger Kreistagsmehrheit auf Jahrzehnte gesetzt ist. Meinen Fehler sollte man jedoch vermeiden: Am Ende muss einer die Verantwortung übernehmen. Der Kandidat kann nicht alleine verlieren und fällt damit aus. Es bleibt die Parteispitze.