Wir vertreten die MAINung, dass Politik von der Diskussion lebt. Dieser Idee haben wir unseren Blog gewidmet. Wir sind Nikolaus Barth und Daniel Müller. Langjährig in der Jungen Union/CSU aktiv und zwischenzeitlich in verschiedenen Berufen und Orten beheimatet. Wir sind unseren Wurzeln dennoch weiterhin verbunden und mit dem steten Drang sich zu Wort zu melden. Die Themen reichen vom Untermain über München und Berlin bis nach Brüssel und darüber hinaus.

Viel Freude beim Lesen!

Sonntag, 28. Juni 2015

Graccident!

München. Die griechische Regierung beendete die Verhandlungen und rief eine Volksabstimmung aus. Es geht um Europa. Doch zur Wahl stehen vielmehr die griechische Regierung auf der einen Seite und Merkels Rettungsarchitektur auf der anderen. Tsipras hat mit diesem Schritt und seinem Werben für die Ablehnung des europäischen Angebots den Graccident provoziert. 

Griechenland und die verbleibenden 18 Mitglieder der Eurozone gehen nun getrennte Wege. Griechenlands Verbleib in Europa und damit in der Eurozone ist schwer vorstellbar.  Doch wie ein geplanter Ausstieg sieht es nicht aus, vielmehr wie ein verzweifelter Versuch, der im Chaos enden könnte. Doch selbst dann, wenn er positiv für Griechenland ausfiele, wird er zum Präzedenzfall und zur Gefahr für Europa in Gänze. Europa könnte so oder so daran zerbrechen.

Die anstehenden Wochen werden für alle, im Besonderen aber für Griechenland, schwierig. Die Einführung der Kapitalverkehrskontrollen (Schließung der Banken) und die Nicht-Rückzahlung von Altschulden sind dabei noch das geringste Übel.  Abgeschottet von allen Geldquellen wird die Regierung in Athen Pensionen und Gehälter nicht zahlen können oder wenn, dann nur in Form von Schuldscheinen. Die Preise werden gleichzeitig steigen, da die Schuldscheine eine neue Währung darstellen und im Vergleich zu den im Umlauf befindlichen Euros deutlich an Wert verlieren. Sie werden damit zur neuen Währung. Auch wenn der Euroaustritt nie offiziell wird, er wird praktisch vollzogen. Mit der neuen Währung ist der Zugang zu Importen und Reisen ins Ausland nur noch schwer möglich. Der Wirtschaft droht der Kollaps. 

Hier wird sich zeigen, ob die Regierung in Athen einen Plan B hat oder nicht. Natürlich besteht die Chance, dass sich Griechenland wieder erholt, wenn sich Löhne und Renten durch die Abwertung so sehr ermäßigt haben, dass nur noch die Produktion im eigenen Land helfen kann, die Not zu lindern. Die Produktion springt an, die Wirtschaft wächst aus der Krise. In diesem Fall werden andere Staaten Griechenland folgen und eine Trennung Europas ist möglich. 

Erholt sich die Wirtschaft Griechenlands nicht schnell genug, wird das Land im Chaos versinken. Die gut ausgebildeten Griechen verlassen das Land. Investitionen bleiben aus,  und der Tourismus bricht ein. Selbst die krisenarmen Inseln fallen der Rezession zum Opfer, die längst eine große Depression geworden ist. Positiv ist lediglich, dass der Schock zur heilsamen Medizin für den Rest Europas wird, und nun wirklich wachstumsfördernde Strukturreformen angegangen werden. Das gestärkte Rest-Europa findet mehr und mehr zusammen. 

Fakt ist, dass niemand vorhersehen kann, was passiert. Es scheint ein großes Experiment mit umgewissem Ausgang. Soziale Unruhen sind vorprogrammiert. Die Bundeskanzlerin wollte Europa davor bewahren. Daher sah sie ihre Programme als alternativlos. Die Idee Europas wird der Krise geopfert. 

Tsipras unterschätzt einen Punkt gewaltig. Er sieht sich im Recht. Seine Idee von einem anderen Europa sieht er demokratisch legitimiert durch das griechische Wahlvolk. Er sieht den Auftrag bei ihm, Europa zu verändern und ihm seine neue Richtung zu geben. Er vergisst dabei, dass er dafür auf die Zustimmung der anderen Wahlvölker angewiesen ist, und die möchten kein Geld für griechische Experimente ausgeben. Auch Merkel hat mit ihrer Rettungsarchitektur für Europa vergessen, dass im kleinsten gemeinsamen Konsens die Emotionen erstickt sind. 

Wer Europa will, muss es verändern. Gleichzeitig muss er oder sie dafür brennen. Die Kanzlerin scheint nur den Weg, nicht das Ziel zu kennen. Es wird höchste Zeit, dass sie ihre Idee von Europa skizziert und die Europäer dafür gewinnt.

Montag, 22. Juni 2015

Der Alternativlose.

München. Es tobt ein Sturm. Europa steht an einer gefährlichen Klippe und der nächste Schritt könnte in ein Unglück führen. Für wen ist nicht klar, aber zwischenzeitlich wird deutlich, dass der nächste Schritt nicht mehr alternativlos ist. Schwer für die Alternativen, gut für Deutschland. Wobei die Alternative für Deutschland gerade selbst erlebt, was es heißt, wenn sich einer als alternativlos bezeichnet.

Bernd Lucke hätte sich das selbst nicht vorstellen können. Nach nur zwei Jahren ist der Alternativlose in der AfD eine Randfigur. Was auch immer passiert, seine Zukunft in der AfD ist vorbei. Er hat oberlehrerhaft seine Partei geführt, die danach strebte, anders zu sein als der Mainstream. Dass er selbst ein Teil von "die da oben" wird, hätte er wohl nicht gedacht.

Vieles, was die AfD nun einführt, ist in der deutschen Parteienlandschaft gut bekannt. Mögen Piraten und Grüne noch vom Mitmachen aller leben, die AfD hat längst erkannt, dass ein geordnetes Delegiertensystem notwendig ist. Der Ordnung halber. Beschimpfte der Alternativlose die Etablierten nicht vor einiger Zeit noch als entartet? 

Doch was interessiert das Geschwätz von gestern. Heute zählen Taten, und wenn es nicht nach der eigenen Meinung geht, dann wird eben eine neue Partei, Verzeihung ein Verein, gegründet, der zum Sammelbecken der Enttäuschten wird. Einer wie Lucke irrt nie. Falsch liegen immer die anderen.

Wer kein Freund der AfD ist, könnte Schadenfreude empfinden. Doch nicht nur die AfD leidet unter ihrem Streit, die Ganze Parteienlandschaft und Demokratie tut es. Nichts und niemand ist alternativlos, Demokratie lebt vom Streit um die besten Ideen. Das sollten sich gerade die etablierten Parteien ins Stammbuch schreiben lassen. Wer sich heute über die starke Rechte in der AfD sorgt und Antworten sucht, wie es soweit kommen konnte, der muss auch die Frage stellen, was er selbst dazu beitragen kann, dass das Gemeinwohl blüht.

Die AfD ist keine Alternative für die Deutschen. Die Zukunft liegt nicht in der Vergangenheit. Das war der Fehler in Luckes Idee. Diesen muss er ertragen, auch wenn er ihn nicht erkennt und sich weiterhin für alternativlos hält.

Sonntag, 21. Juni 2015

Der Vorabend.

München. Ruhe in Europa am Vorabend des europäischen Schicksalstags. Während heftig zwischen Athen und den anderen Hauptstädten Europas telefoniert wird, breitet sich die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm aus. Ist Europa noch zu retten?

Der Krisenmodus begleitet Europa nun schon seit über fünf Jahren. Die weltweite Banken- und Finanzkrise offenbarte die Schwachstellen Europas und vor allem der Eurozone. Während die USA aus der Krise davoneilten und sich längst neuen Themen widmen, ist Europa gefangen im Spinnennetz einer heftigen Vertrauenskrise. Die Bürger Europas misstrauen ihren Regierungen, den europäischen Institutionen und gar ihrer Währung. Viele haben das immer schon gewusst und nicht wenig vorhergesehen.

Doch diese Krise ist anders. Sie ist kein Endspiel, sie bietet mehr die Chance ein reinigendes Gewitter zu sein. Vieles ist in Europa schief gelaufen. Dabei sollte der Blick weit über den Euro hinaus wandern. Die Krise des Euros ist mehr ein Misstrauensvotum gegenüber der Politik in Europa im Allgemeinen. Die unterschiedlichen Rettungspakete haben dies noch stärker befeuert.

Europa aufgebaut auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges entstand als friedensstiftendes Projekt. Es lebt heute vom Konsens seiner Mitgliedstaaten, die nicht bereit sind, auf ihre Souveränität zu verzichten und sich bestenfalls zum kleinsten gemeinsamen Nenner zusammenraufen können. Einmal wurde dieses Prinzip gebrochen: bei der Gründung der Eurozone.

Nicht der Euro sollte das diskutierte Problem sein, sondern die Einsicht, dass eine Gemeinschaft einen größeren Nenner benötigt. Hier gilt es anzusetzen, und genau hier haben Griechen, Briten, Dänen und Polen recht, die ihren Regierungen den Auftrag gegeben haben, einen neuen Weg zu finden. Europa braucht diesen New Deal.

Am Vorabend des Schicksalstags ist es zu spät für eine Richtungsänderung. Der aktuelle Weg scheint alternativlos. Er ist es schon deshalb, weil er aus dem Konsens Hilfe gegen Reformen besteht. Etwas anderes wäre den Wählern Europas kaum vermittelbar. Egal, ob Griechenland mit neuen Milliarden gerettet wird oder der schicksalhafte Verlauf eines Austritts aus der Eurozone seinen Weg nimmt, am Ende dieser Woche wird Europa feststellen, dass es eine neue Idee braucht, um bleiben zu können, was es ist: Eine großartige Idee. Lasst uns neu denken.

Dienstag, 16. Juni 2015

Wo die Freiheit noch grenzenlos ist

Erlenbach. Freiheit ist begrenzt. Ob das gut oder schlecht ist, liegt im Auge des Betrachters. Kriege wurden im Namen der Freiheit geführt, Menschen verloren dieselbe oder sogar ihr Leben. Sie ist Inbegriff einer ganzen politischen Grundhaltung, der des Liberalismus. Die eigene Freiheit und damit die Entfaltungsmöglichkeit sind untrennbar verknüpft mit der Freiheit des Anderen.

Deshalb ist es streitbar, wo sich jeweils die Grenzen befinden. Das ist auch gut so. Denn ein permanenter Diskurs über die Freiheit muss einer Demokratie systemimmanent sein. Aktuelles Beispiel, anlässlich des G7-Gipfels auf Schloss Elmau, ist: Welche Schlüsse sind aus der polizeilichen Bilanz bei der zeitweiligen Wiederaufnahme von Grenzkontrollen zu ziehen?

Mit 18.278 Polizisten – ganz abgesehen von den eingesetzten Zöllnern, Soldaten oder Rettungskräften – wurde Elmau und der ganze Landstrich rundherum zum Hochsicherheitsgebiet. Zu ihrem historisch umfangreichsten Einsatz gab die Polizei bekannt, dass, allein im Zeitraum von zwei Wochen um den Gipfel, rund 105.000 Personenüberprüfungen stattfanden. Zeitweilig wurden die Kontrollen auch andernorts im Bundesgebiet verschärft.

Massenhaft mussten dabei Verstöße festgestellt werden: 10.555 gegen das Aufenthaltsgesetz, 29 gegen das Asylverfahrensgesetz, 237 gegen das Betäubungsmittelgesetz, 151 Urkundendelikte und 692 Zurückweisungen an der deutschen Grenze. Des Weiteren resultierten aus den Überprüfungen 1.056 Fahndungstreffer und davon endeten 135 Fälle in der Vollstreckung offener Haftbefehle.

Das sind, total betrachtet, sicherlich alarmierend hohe Zahlen. Etwas moderater mutet es an, wenn die Verstöße zur Anzahl der eingesetzten Polizisten und kontrollierten Personen ins Verhältnis gesetzt werden. Bei Schwerpunkteinsätze dieser Kategorie kann ein solches Ergebnis nicht verwundern. Analog ergäbe sich bei einem Blitzermarathon kein anderes Bild, wenn Rasern und Gurtsündern Einhalt geboten werden soll.

Vom Blitzen auf Benjamin Franklin überzuleiten, wäre eine sehr holprige Angelegenheit, hätte sich der multitalentierte Erfinder und Staatsmann nicht schon im 18. Jahrhundert mit dem Begriffspaar „Freiheit und Sicherheit“ auseinandergesetzt. An dieser Stelle drängt sich aber gerade zu einer seiner bekanntesten Sätze, den er in die politische Formel goss: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“, auf.

Grundsätzlich ist es urstaatliche Aufgabe, Kriminalität zu bekämpfen. Dass „Freiheit und Verantwortung als Begriffspaar“ stehen, erklärt Horst Seehofer oft und gern in seinen Reden. Der bayerische Ministerpräsident und sein Innenminister Joachim Herrmann denken deshalb laut über Konsequenzen nach. Denn die Verantwortlichen suchen nach einer Antwort auf die Gipfel-Kriminalstatistik.

Sie suchen im Grunde nach mehr Sicherheit. Verstärkte Schleierfahndung, Wiedereinführung der Visapflicht für Balkanstaaten und die Einrichtung von Asylbeantragungszentren in Nordafrika stehen auf der CSU-Vorschlagsliste. Rechtzeitig vor dem Flüchtlingsgipfel in Berlin kommt damit ein drittes politisches Begriffspaar ins Spiel: die Außen- und Sicherheitspolitik. Doch was bedeutet das denn für die Freiheit?

Kurz keimte der Gedanke auf, die Kontrollen an den EU-Binnengrenzen dauerhaft wieder einzuführen. Ein landläufig populärer Vorschlag. Eine der größten europäischen Errungenschaften, der Reisefreiheits-Kodex der Schengener Abkommen, würde so maßgeblich verändert, beziehungsweise handstreichartig abgeschafft. Doch kann ein pathologischer Lösungsansatz nicht bei den Symptomen haltmachen. Das hat Horst Seehofer erkannt.

Der Ministerpräsident weiß, dass die Herausforderungen, die sich durch die Massenflucht der Menschen aus dem syrisch-arabischen und nordafrikanischen Raum im Asylbereich ergeben, nicht auf isoliert-deutscher oder gar bayerischer Ebene allein bewältigen lassen. Ganz zu schweigen von der humanitären Katastrophe an den Außengrenzen und im Mittelmeer. Die europäische Idee durch die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen zu torpedieren, wenn Europa und seine Institutionen als Krisenmanager dringend gebraucht werden, wäre unvorstellbar kontraproduktiv.

Horst Seehofer verkündete ebenfalls in diesen Tagen seine Vorschläge für die Positionen der stellvertretenden CSU-Vorsitzenden. Als neue Mitglieder der engsten Parteiführung möchte er Angelika Niebler und Manfred Weber sehen. Beide sind Europaabgeordnete, der Niederbayer Weber sogar Vorsitzender der mitgliederstärksten Parlamentsfraktion, der Europäischen Volkspartei (EVP).

Das Signal ist zu begrüßen. Denn Fragen der Freiheit, Sicherheit und Humanität müssen stärker europäisch diskutiert und angegangen werden. Der Schuldenstreit mit Griechenland und die Euro-Krise verengen europäische Themen derzeit stark auf finanz- und haushaltspolitische Gesichtspunkte. Darüber darf aber nicht vergessen werden, dass eine Veränderung der derzeit geltenden Binnenreisefreiheit dem europäischen Gedanken vielleicht nachhaltiger schaden könnte als Geldsorgen.

Der bordeauxrote Reisepass, der jeden Deutschen auch als Europäer ausweist, darf nicht nur Identifikationsdokument sein. Es muss Sinnbild von Freiheit bleiben. Am besten dadurch, dass er innerhalb Europas nicht gebraucht wird. Dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen muss natürlich Rechnung getragen werden. Das ist ebenso wichtiger Teil des Allgemeinwohls. Der Blick über den europäischen Tellerrand lässt aber nur einen Schluss zu: Der unüberwindbar scheinende Widerspruch zwischen Grenzsicherung und humanitärer Hilfe muss baldmöglichst aufgelöst werden.

Freitag, 5. Juni 2015

Kein Grund, sich schwarz zu ärgern


Erlenbach. Das Erlenbacher Bergschwimmbad ist in die Jahre gekommen. Jetzt trat der Fall der Fälle ein, vom dem die Verantwortlichen und so mancher Gast zwar ahnten, aber jeder hoffte, er möge noch lange auf sich warten lassen. Zur Saisonvorbereitung kam nun die bittere Wahrheit ans Licht der Spätfrühjahrssonne: Bodenlecks massiv, der tägliche Wasserverlust untragbar, Betrieb unmöglich, Sanierung notwendig. Und das zu einer Zeit, die dem städtischen Haushalt per se viel abverlangt, um Pflichtausgaben zu decken. 

Vielen passionierten Schwimmern und sonnenhungrigen Badegästen fällt der Gedanke schwer, auf das große Becken des Erlenbacher Bergschwimmbades länger zu verzichten. Mindestens eine Saison, wenn nicht sogar zwei, wird es dauern, bis das kühle Nass wieder nutzbar sein wird. Da kochen Emotionen schon einmal hoch, wenn plötzlich ein so breit geschätztes, kommunales Freizeitangebot nicht mehr zur Verfügung steht. „Wer sich ärgert, büßt die Sünden anderer Menschen“, wird Konrad Adenauer als Zitat zugeschrieben. Doch fraglich ist, ob - so die Vorwürfe aus der Bevölkerung - die CSU habe untätig zugewartet, tatsächlich den Erlenbacher Schwarzen als Verfehlung anzulasten ist?

Denn die CSU alleine hat keine Stadtratsmehrheit. Weiterhin hat die CSU im Einvernehmen mit den anderen Parteien die Schwimmbadsanierung fest eingeplant. Wichtig zu wissen ist auch, dass das jetzige Schadensausmaß unvorhergesehen war und die Erlenbacher Räte zuvor über Fraktionsgrenzen hinweg beschlossen hatten, kostenintensive Projekte wie den Neubau der Barbarossa-Mittelschule voranzutreiben. Auch kommunales Geld kann nur einmal ausgegeben werden.

Es war also an den Stadträten, unverzüglich um eine Lösung der schwierigen Situation zu ringen. Denn die Finanzierung solcher freiwilligen Ausgaben ist keine Selbstverständlichkeit und Fördermittel gibt es eben nicht wie Sand am Schwimmbadstrand. Der CSU und den anderen Fraktionen rechne ich gewiss hoch an, sich zunächst – vor allem zum Wohle der Kinder – dem Millionen Euro teuren Stemmen der Pflichtaufgaben zu stellen. Pflicht vor Kür: Dieser Grundsatz gilt insbesondere für öffentliche Haushalte. 

Das Schwimmbad hat sicher trotzdem seine Daseinsberechtigung. Ein klares Bekenntnis der CSU-Fraktion und des Erlenbacher Bürgermeisters zur Schwimmbadsanierung habe ich vernommen. Deren Krisenmanagement ist es zu verdanken, dass sofort Ausgleichsmaßnahmen getroffen wurden. Hier sind das Offenhalten von Planschbecken, Kiosk und Sporteinrichtungen oder das Angebot zur preisermäßigten Nutzung des Trennfurter Freibads zu nennen. Es gibt also keinen Grund sich schwarz zu ärgern, sondern die Kraft und Zeit lieber auf die Förderung des neuen Bades zu verwenden.

Mittwoch, 22. April 2015

Churfrankens neuer Feldherr


Miltenberg. Letztes Jahr feierte Unterfranken ein großes Jubiläum: Seit 200 Jahren gehört der Regierungsbezirk zu Bayern. Damals zwar noch unter anderem Namen, aber in den Außengrenzen so gut wie identisch mit dem heutigen Gebiet. Das Ende der napoleonischen Herrschaft war gerade eingeläutet, als auch der Bayerische Untermain, in einer Art französisch-hegemonialen Konkursmasse, an die Wittelsbacher ging. Es handelte sich um einen weichenstellenden Geschichtsmoment, denn von da ab wurde die Region von München aus regiert und der sprichwörtlich weiß-blaue Himmel dehnte sich bis nach Aschaffenburg aus.

Die Jahrhunderte zuvor stand diese Gegend unter ganz anderem Machteinfluss: Denn die Mainzer Erzbischöfe, in Personalunion als Kurfürsten auch mit weltlicher Herrschaftsgewalt ausgestattet, bestimmten über die Geschicke der Menschen am Untermain hinauf bis nach Miltenberg. Geblieben sind von der Kurmainzer Regentschaft noch heute Zeugnisse wie das stadtbildprägende Aschaffenburger Schloss Johannisburg, welches den Erzbischöfen als Zweitsitz im so genannten Vizedomamt diente oder die, die Alltagssprache dominierende, rheinfränkische Mundart. Historische und regional verbindende Elemente wurden 1977, wenige Jahre nach der Bayerischen Gebietsreform, auch in das Wappen des neu strukturierten Landkreises Miltenberg aufgenommen: Das Mainzer Rad, der fränkische Rechen, die bayerische Raute und ein Wellenpfahl als Symbol des von Süden nach Norden fließenden Mains. Jahrzehnte später schickten sich Tourismusförderer und Marketingexperten an, die historischen Verbindungen stärker zu betonen und kreierten den werbewirksameren Kunstbegriff Churfranken für die Maintalregion in und um Kreis und Stadt Miltenberg. 

Auf die Kurmainzer Wurzeln besinnen sich in diesen Tagen nicht nur die Unterstützer der hiesigen Tourismusinitiative, sondern auch in der Politik spielen diese wieder eine stark zunehmende Rolle. Allerdings ist dabei nicht die Heimatgeschichte als solche von Interesse. Es geht vielmehr um Zukunftsfragen und – wie könnte es anders sein – um Geld. Aber der Reihe nach. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann lud am vergangenen Freitag zum Tag der Metropolregion ein, um die „Kurmainzer Achse“, wie er es nennt, wieder zu beleben. Beim Anblick des rot-weißen Mainzer Doppelradwappens, das sogar seinen Amtsstuhl im Frankfurter Römer ziert, könnte dem Sozialdemokrat der Gedanke dazu gekommen sein, seinen politischen Wirkungskreis zu erweitern.

Der Frankfurter Feldmann traf sich in der Woche zuvor mit den Oberbürgermeistern von Mainz und Aschaffenburg. Die illustre Truppe tourte gemeinsam durch die drei Städte. Der Presse war zu entnehmen, dass er mit seinen rheinland-pfälzischen und bayerischen Amtskollegen, beide ebenfalls Sozialdemokraten, vornehmlich Fragen zum gemeinsamen Standortmarketing der Wirtschaftsregion Rhein-Main besprechen wollte. Anzunehmen ist aber auch, dass Feldmann sein Projekt vertieft erörterte, welches er am Freitag dann in der symbolträchtigen Frankfurter Paulskirche einer breiten Öffentlichkeit vorstellte: Ein Staatsvertrag zur Stärkung der Metropolregion Rhein-Main zwischen Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz. Zum genauen Inhalt bleibt er aber vage und beließ es zunächst bei dem strategischen Ansinnen, bundesländerübergreifend „gemeinsame Verantwortungen“ in verschiedenen Lebensbereichen wie Wohnen, Verkehr, Wirtschaft, Energie, Tourismus, Kultur oder demographischem Wandel festzuschreiben. Warum das besonders wichtig ist, aber genauso besonders oft nicht funktioniert, wurde schon an anderer Stelle dieses Blogs erörtert. (Schierstein.)

Zu viel Detail verschreckt offenbar das scheue Wild der überparteilichen Eintracht. Denn Feldmann will das bisher auf breiter politischer Basis unterstützte Ansinnen erst 2016 nach den hessischen Kommunalwahlen diskutieren. Wohl auch um zu sehen, wie dann die Mehrheiten im Frankfurter Römer ausschauen. Bisher haben hier die Fraktionen von schwarz und grün das Sagen und es kommt nur allzu oft zum Zwist mit dem Rathauschef. Beispielsweise sprach der Magistrat dem Stadtoberhaupt zum ersten Mal in deren Geschichte im Jahr 2013 eine Missbilligung aus. Innerhalb der eigenen Partei ist die Stimmung besser. Hier hat er viele Freunde, denn die Oberbürgermeister von Mainz, Wiesbaden, Offenbach, Hanau, Gießen und Aschaffenburg haben zwei Dinge gemeinsam: Sie führen die wirtschaftlich bedeutendsten und bevölkerungsreichsten Kommunen des Rhein-Main-Gebiets und haben zudem das gleiche Parteibuch. Nämlich das der SPD.

Bleiben bei der hessischen Kommunalwahl die bisherigen Machtverhältnisse bestehen, wird es spannend zu beobachten, wie Feldmann sein Projekt weiter treiben wird. Insbesondere wann er gedenkt, die schwarz-grüne Landesregierung mit ins Boot zu holen. Denn ein Staatsvertrag ohne deren Mitwirkung ist ausgeschlossen. Ob er hier noch einen Regierungswechsel abwartet, ist stark fraglich. Feldmann will den Erfolg aber auf sein Konto verbuchen lassen. Teilen kommt da kaum in Frage. Die Basis von CDU und Grünen steht indes einer Stärkung der Metropolregion positiv gegenüber. Insbesondere, wenn dies bedeutet, dass zusätzliches Geld in die notorisch klammen Kommunalkassen fließt. Feldmann hat dazu auch schon zwei potentielle Geldquellen ausgemacht: Die EU sowie die beiden Nachbarbundesländer, hier vor allem an das finanzstarke Bayern.

Zum „Tag der Metropolregion“ lud sich Feldmann den Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), in die Frankfurter Paulskirche ein. Historische Assoziationen bleiben am Sitz der ersten Nationalversammlung nicht aus. John F. Kennedy adelte den aus rotem Mainsandstein erbauten und immer wieder als Sakralgebäude genutzten Veranstaltungsort bei seinem Besuch 1963 als „Wiege der deutschen Demokratie“. Vom gleichen Pult aus sprach nun Schulz und es war eine seiner leichtesten präsidialen Aufgaben, den vorwiegend kommunalen Vertretern die Vorteile einer starken Metropolregion im globalen Wettbewerb aufzuzeigen. Er attestierte der Region auch sogleich ein hohes Potential und lobte regionale Zusammenschlüsse als Zukunftsmodell. Denn stark vereinfach gesagt, fördert die Europäische Union Metropolregionen und ähnliche Zusammenschlüsse nach deren Bevölkerungszahl.

An dieser Stelle kommen der Bayerische Untermain (370.000 Einwohner) und Mainz (205.000 Einwohner) ins Spiel: Schafft es Feldmann, diese Randgebiete bundesländerübergreifend durch einen Staatsvertrag in die Metropolregion zu binden, schlagen runde 575.000 Köpfe mehr bei der EU-Förderung zu Buche. Ein bedeutender Schritt nach vorne; denn dies macht etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung des Rhein-Main-Gebiets aus. Frankfurt selbst hat sich über die Jahre deutlich gemacht. Aus der Wild-West-City der Siebziger- und Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts hat sie sich zu einer lebens- und liebenswerten Stadt (Das rothe Frankfurt) gemausert. Aber dennoch kommen die Menschen eher nur zum Arbeiten in die Metropole und leben lieber draußen auf dem Land. Zwar fließen immense Gewerbesteuereinnahmen, doch fallen gleichzeitig auch beispielsweise hohe Ausgaben für Infrastruktur und deren Erhalt an. Gegen zusätzliches Geld hätten die Frankfurter Stadtoberen sicher nichts einzuwenden.

Denn die zweite Fliege, die mit einer Klappe, der gemeinsam verfassten Metropolregion erschlagen werden kann, heißt bayerische Regionalförderung. Im Landesentwicklungsplan des Freistaates findet sich schon seit geraumer Zeit das Ziel, seine Metropolregionen wie München oder Nürnberg wirtschaftlich, verkehrlich, wissenschaftlich, kulturell und touristisch weiterzuentwickeln und besonders zu fördern. Dies gilt auch explizit für den Bayerischen Untermain, da dieser als Teil der Rhein-Main-Region von der Staatsregierung ebenfalls als förderungswürdig anerkannt wurde. Schließlich soll im Zuge der Initiative des Bayerischen Heimat- und Finanzministeriums gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen auch in den strukturschwächeren Randregionen des Flächenstaats geschaffen werden.

Der bayerische Teil des Rhein-Main-Gebiets war am vergangenen Freitag durch Landrat Ulrich Reuter aus Aschaffenburg vertreten. Dem CSU-Mann lag viel daran zu betonen, wie wichtig die Verbindung ins und mit dem Rhein-Main-Gebiet sei. Er ist die Personifikation einer vernetzten Metropolregion: Aufgewachsen und nach studienbedingter Wanderschaft zwischenzeitlich schon lange wieder wohnhaft in Kleinostheim, promovierte der in Bayern studierte Jurist an der Goethe-Universität. Als Rechtsanwalt und leitender Angestellter im Deutsche Bank-Konzern blieb er Frankfurt bis kurz vor seiner Wahl zum Landrat treu. Ihn nun bei der Wahrung untermainischer Interessen am „Tag der Metropolregion“ zu wissen, macht sachlich und vom Herzen her den richtigen Eindruck. Insgesamt bleibt zu wünschen, dass es dem bayerischen Botschafter in der Metropolregion auch im Resultat gelingt, in München, Frankfurt oder wo es auch immer notwendig sein mag, für die Anliegen des Untermains erfolgreich zu werben. 

Auf Reuter ruhen die Hoffnungen, denn möglicherweise ist der grüne Miltenberger Landrat (noch) zu schlecht vernetzt, um ihm hier zu assistieren. Denn wichtig für Churfranken ist, dass Bayern nicht nur Zahlmeister durch einen Staatsvertrag wird, sondern auch die gewünschten Vernetzungsvorteile bei Wirtschaft, Verkehr, Bildung, Gesundheit, etc. erzielt werden. Dafür muss er ins Felde ziehen. Die Landkreisbürger müssen die Vorteile einer Metropolregion spüren. Ansonsten bleibt es kühle Hülle einer kühnen Idee, deren Identifikationswerte auch schnell wieder sinken würden. Die Menschen am Untermain sind in der weiten Mehrzahl stolz darauf, Bayern zu sein. Eine politische Entkoppelung vom Freistaat wollen die Allerwenigsten. Die länderübergreifenden Regularien im Staatsvertrag sind deshalb mit großem Bedacht zu entwerfen und die besondere Stellung zu wahren. Das hat die Region – das haben die Menschen – verdient. Der Untermain und die Metropolregion haben Perspektive. Deshalb bleibt zuletzt der Vorschlag mit Signalwirkung: Die Metropolregion muss Rhein-Main-Churfranken heißen und genau in dieser Vielfalt in Einigkeit gelebt werden.

Sonntag, 12. April 2015

Schierstein.

Klingenberg. Der Verkehrsinfarkt auf der Schiersteiner Brücke hat das Rhein-Main-Gebiet hart getroffen. Kilometerlange Staus und Umleitungen haben den Verkehr zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz zum Erliegen gebracht und gleichzeitig eine Schwachstelle Deutschlands offenbart.

Vor und für Jahrzehnte gebaut, war die Schiersteiner Brücke schon immer ein Nadelöhr in der Metropolregion zwischen Rhein und Main. Wichtig, weil viele Unternehmen die Nähe zu den Flüssen, wie auch zum Frankfurter Flughafen, suchen. Lebensnotwendig, weil im Pendlerland Rheinland-Pfalz viele ihre Heimat nicht für ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen.

Als kurz vor dem Höhepunkt der fünften Jahreszeit in Mainz Teile der Brücke herausbrachen, wurde das Herzstück der Verkehrsarchitektur über dem Rhein gesperrt. Die Folgen sind bekannt und führten deutlich vor Augen, dass der stark diskutierte und kritisierte Zustand der Infrastruktur in Deutschland, allen voran im Bereich der Straßen und Brücken, mau aussieht. Da wird die Maut, Verzeihung, Infrastrukturabgabe wenig bis gar nichts bewegen.

Die Wiedereröffnung der Brücke für den Verkehr – Schwerlasten sind weiter ausgenommen – entlastet die Politik jedoch nicht von der Suche nach langfristigen Lösungen. Freilich ist die Forderung nach mehr Geld für Investitionen leicht aufgestellt. Weniger schnell sind gleichwohl die Probleme abgestellt, die zum Infarkt führten.

Nicht wenige verweisen auf die derzeit niedrigen Refinanzierungskosten für Bund und Länder und fordern einen raschen Abbau des Investitionsstaus. Schulden statt Staus, wo das Geld doch fast verschenkt wird.  Doch die Komplexität der Maßnahmen verhindert das. So einfach ist es nicht und wer weiß, ob die Zinsen bei Beginn der Umsetzung noch so niedrig sind.

Schierstein hat gezeigt, dass es viele Problemstellen außerhalb der Mittelverwendung gibt. Die Abstimmung zwischen zwei Bundesländern funktionierte nicht, selbst die schon eingeplanten Steuergelder werden nicht immer zeitnah und effizient verbaut und der Fokus der Politik liegt auf Großprojekten. Drei Regionalflughäfen sind erwähnenswert, die zeigen, dass Geld nicht immer sinnvoll verbaut wird: Kassel-Calden, Hahn und Zweibrücken statt Schierstein und Co.

Deutschland braucht eine leistungsfähige Infrastruktur. Wer sich nicht der grünen Eisenbahnromantik hingeben will, muss auch zugeben, dass dazu Brücken, Straße und Flughäfen notwendig sind. Ja, auch leistungsfähige Bahnknotenpunkte gehören dazu, damit nicht jeder Regionalflughafen zum letzten Strohhalm ganzer Regionen wird. Bespiele lassen sich beliebig viele finden. Am Ende zeigen sie alle, dass eine aktive und abgestimmte Infrastrukturpolitik präventiv denkt und derzeit notwendiger ist denn je. Der Bundesverkehrsminister Dobrindt sollte doch im digitalen Zeitalter in der Lage sein, diesen Prozess in sinnvolle Bahnen zu lenken und ein Gesamtkonzept mit seinen Kollegen auf der Länderebene zu entwerfen. Langfristig wären damit weniger Löcher in Brücken wie auch in Haushalten und ihm der Eintrag in die Geschichtsbücher sicher. 

Mittwoch, 4. März 2015

Grexit.

München. Mit dem Votum der Zustimmung des deutschen Bundestags war der Weg für die viermonatige Verlängerung des griechischen Hilfsprogramms frei. Die überwältigende Mehrheit spiegelte nicht die breite Skepsis wieder, die der neuen griechischen Regierung entgegenweht. Der Grexit droht.

Immer wieder stellt sich Frage, wie konnte es eigentlich soweit kommen. Zu Beginn der Währungsunion entwickelten die Europäer die Lissabon-Strategie. Das Ziel bestand darin, die Wettbewerbsfähigkeit der EU innerhalb von 10 Jahren zu erhöhen. Doch nach zehn Jahren war die EU ihrem Untergang näher als der Erreichung des Ziels.

Europa war gefordert, eine Krise zu überwinden, auf die niemand vorbereitet war. Im Krisenmodus fehlten die Blaupausen. Was ist richtig, was ist falsch? Die Doktrin des Sparens, geprägt von den Deutschen, war eine Medizin, die keineswegs den schellen Erfolg versprach oder eine schnelle Linderung von den Schmerzen. Im Gegenteil: Bevor es besser werden konnte, wurde es viel schlimmer. Und erst heute, nach und nach verbessern sich die Wirtschaftsindikatoren in den Krisenländern. Wachstumsfördernde Strukturreformen fehlen.

Die Kanzlerin, und viele mit ihr, haben erkannt, dass die Solidarität der Starken mit den vermeintlich Schwachen nicht umsonst ist. Die Handelnden sind auf die Zustimmung ihrer Wähler angewiesen und leichtfertig vergibt niemand Kredite und Steuergeld. Das sollte gerade das Mutterland der Demokratie verstehen.

Wer Solidarität will, ist aufgefordert etwas zurückzugeben. Dabei ist nicht Dankbarkeit zu erwarten, sondern vielmehr Verständnis dafür, dass die Europäer in einem gemeinsamen Boot sitzen und dieses nur eine Richtung ansteuern sollte.

In Griechenland ist dieses Verständnis nicht vorhanden. Die dortige Regierung möchte die Richtung vorgeben, obgleich der Kurs schwere Unwetter bedeutet. Am Ende könnte das gemeinsame Boot sogar sinken. Das scheint wahrscheinlicher denn je. Der Rest Europas sollte sich dessen bewusst sein und alles dafür tun, dass die Schäden des aufziehenden Sturms namens Grexit überschaubar bleiben.

Wolfgang Schäuble sagte dazu am Tag der Abstimmung: „Wir Deutschen sollten alles daran tun, dass wir Europa zusammenhalten, so weit wir können, und zusammenführen. Wieder und wieder.“ Das sollten wir. Aber die Solidarität mit anderen und der Blick auf das, was wir auch in Zukunft können wollen, zwingt uns dazu zu ergänzen: nicht um jeden Preis.

Krieg den Palästen!


Erlenbach. Diese Überschrift taugt als Nachricht über der Nachricht: „Der Entmachtung der Demokratie wird zugestimmt.“ Es ist der Titel eines kürzlich im Main Echo erschienenen Leserbriefs zu TTIP, CETA und TiSA. Der Schreiber bezweifelt stark, dass es die Verhandlungsführer gut mit den deutschen Bürgern meinen. Die üblichen Schreckgespenster werden bildhaft beschrieben: Geheimverhandlungen, Privatisierungswahn, unbeschränkte Staatshaftung und himmelschreiende Ignoranz von Politikern. Zum Schluss ist wieder einmal die Zukunft unserer Kinder gefährdet.

Bei solchen emotionsgeladenen Diskursen scheint es für einige Menschen um mehr zu gehen als völkerrechtliche Verträge. Es geht um Weltbilder. Diese leiten sich selten aus Fachdiskussionen über Vertragstexte oder Wohlfahrtsstatistiken ab. Sie ergeben sich vielmehr aus Emotionen, wenn aus der subjektiven Wahrnehmung der Einzelnen ein Gruppenkonsens wird. Im Falle der sehr aufgebracht wirkenden Gegner geht es um die Deutungshoheit zu den Freihandelsabkommen. In biblischer Anlehnung stilisieren sie es zur Frage, ob die Kräfte des Guten oder die des Bösen siegen werden? Die Rollen sind offenbar bereits zwischen den Bewahrern von Demokratie und Schöpfung einerseits, sowie den kapitalistischen Lobbyisten und Freunden amerikanischer Großkonzerne andererseits, verteilt. Die vehemente Kritik der Gegner legt den Schluss nahe, dass uns gleich mit Abkommensunterzeichnung der Tag des Jüngsten Gerichts bevorsteht. Fraglich ist nur, ob, wenn dem so sein sollte, die Kritiker der Besetzung dieses Schiedsgerichts dann auch nicht zustimmen werden?

Frühestens seit der Aufklärung und spätestens mit der ´68-Generation hielt eine grundlegende Skepsis über die Politik der Regierenden in breiteren Bevölkerungsteilen Einzug. Das war und ist auch gut so, denn ohne Hinterfragen und Zweifel haben es neue Erkenntnisse schwer. Ein Fortschritt wird ansonsten massiv behindert. Eine Kontrolle der Mächtigen ist richtigerweise unabdingbar. Früher definierte sich die Linke aber mit einem unbändigen Willen zur Veränderung im Sinne einer Verbesserung der Lebenssituation für die Menschen. Sie waren die Progressiven und boten den Reaktionären die Stirn. Seit einigen Jahren sind der mangelnde gesellschaftliche Veränderungswille und die Auswirkungen der Globalisierung stark zu spüren. Die Linke hatte nun ein anderes, viel moralischeres Unterscheidungskriterium gefunden: Die Guten und die Bösen. Oder anders gesagt, die aufrechten Linken und die neoliberalen Kapitalisten. Ist ein solches Weltbild einmal gefestigt, wird jede Diskussion zur Geduldsprobe.

Die Grabenkämpfe sind wieder eröffnet. In Zeiten wie diesen scheint es auszureichen, moralisch gefärbte, plakative Aktionen gegen TTIP, CETA und TiSA zu fahren. Möglicherweise fühlen sich die Verantwortlichen, der sich im Landkreis Miltenberg formierenden Bürgerinitiative gegen die Freihandelsabkommen, wohl zu sehr an ihre Jugendzeit erinnert. Rebellion gehörte da zum guten Ton. Seitdem als Konsequenz aus Fukushima die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Angela Merkel den Atomausstieg und die Energiewende festzurrte, ist so manchem im linksökologischen Lager das Reizthema abhandengekommen. Ein undifferenzierter Widerstand gegen die Freihandelsabkommen scheint die Ersatzhandlung zu sein. Doch wie lange wird diese emotional aufgeladene und faktenferne Kampagne ausreichen und andauern?

Wenig Produktives ist von den Miltenberger TTIP & Co.-Gegnern zu hören. Meist sind es hanebüchene Vergleiche mit vergangenen Privatisierungsmaßnahmen, Angstmachereien vor scheinbar drohendem Demokratieverfall und schallende Liberalismusschelten. Kein Angebot der Kritiker dringt nach außen, wie die Freihandelsabkommen als Win-win gestaltet werden könnten. Totale Ablehnung und Effekthaschereien reichen als Programm aus. Vergessen wird die lange Liste erfolgreicher multinationaler Handelsvereinbarungen und Investitionsabkommen. Übersehen werden die Bemühungen des Bundesentwicklungshilfeministers für ein Fair-Handelsabkommen. Bestritten wird die seit der Einführung des gemeinsamen Binnenmarktes innereuropäisch geübte und erfolgreiche Praxis an Liberalisierungen, Harmonisierungen und gemeinsame Standards.

Warum soll das alles prinzipiell nicht zwischen den USA, Kanada und Europa gelingen? Selbstverständlich sollten Bedenken diskutiert sowie Verhandlungstransparenz und Sachstandskommunikation verbessert werden. Denn Friede wird erst in die Hütten einkehren, wenn den Bürgern detailliert und stichhaltig die Chancen aus den Freihandelsabkommen erklärt und Risiken realistisch benannt werden. Das ist politisch machbar und dringliche Aufgabe, vorwiegend der Europapolitiker. Der hessische Landbote braucht aber in dieser Angelegenheit nicht zu erscheinen. Die Energie wäre besser auf eine Lösung des Ukraine-Konflikts, auf das Einhalt gebieten der IS-Mörderbande oder zur Bewältigung der medial kaum mehr präsenten Ebolafieber-Epidemie verwendet. Einer wäre sicher an der Seite der dort so leidenden Menschen: Georg Büchner.

Sonntag, 25. Januar 2015

Das Misstrauensvotum.

München. Mario Draghi hat  am vergangenen Donnerstag die Geldschleusen weit geöffnet. Die EZB kauft Staatsanleihen im großen Stil und flutet Europa mit billigem Geld.  Was die Südeuropäer freut, hat im Norden Kritik hervorgerufen. Doch die Kritik trifft den Falschen.

Als die europäische Schuldenkrise vor wenigen Jahren ausbrach, und die Zentralbank erstmals Staatsanleihen in deutlich geringerem Umfang als heute erwarb, verloren die Notenbanker ihre Unschuld, nicht aber ihre Unabhängigkeit.  An Draghis Entschlossenheit den Euro zu retten zweifelt inzwischen niemand mehr.

Super Mario hat den Krisenstaaten Europas schon vor zweieinhalb Jahren Zeit gekauft. Er entlastete ihre Haushalte mit niedrigen Zinsen und der Versicherung, dass die EZB den Euro verteidigen werde. Die Mittel dafür werden ausreichen, daran ließ er keinen Zweifel.

Doch Europa ändert sich nur langsam. Drei Krisenstaaten ziehen mehr oder weniger schnell Reformvorhaben durch und ändern sich. Bei anderen fehlt das Engagement oder sie halten sich an Politiker, die unhaltbare Versprechungen machen. Gleichzeitig erstarken Eurogegner in allen Ländern, denen es vor allem um die Nationalstaaten, weniger um die europäische Einheit geht.

Das alles sieht auch Draghi und er verzweifelt daran, dass seine Warnungen und Ratschläge, die Zeit des billigen Geldes für Reformen zu nutzen, viel zu leichtfertig ignoriert wurden. Damit fehlen Europa wirtschaftliche Impulse und Wachstum.

Was er uns seine Kollegen letzte Woche beschlossen haben, ist keine konventionelle Zentralbankpolitik. Es ist der Versuch die Phase des billigen Geldes auf unbestimmbare Zeit zu verlängern. Gleichzeitig schwächt die Maßnahme den Außenwert des Euros und erhöht damit die Exportchancen Europas. Es ist nichts anders als ein Misstrauensvotum der unabhängigen EZB gegenüber der Politik, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Auch Deutschland kann sich dieser nicht entziehen. Die Kosten dafür trägt der europäische Sparer.