Wir vertreten die MAINung, dass Politik von der Diskussion lebt. Dieser Idee haben wir unseren Blog gewidmet. Wir sind Nikolaus Barth und Daniel Müller. Langjährig in der Jungen Union/CSU aktiv und zwischenzeitlich in verschiedenen Berufen und Orten beheimatet. Wir sind unseren Wurzeln dennoch weiterhin verbunden und mit dem steten Drang sich zu Wort zu melden. Die Themen reichen vom Untermain über München und Berlin bis nach Brüssel und darüber hinaus.
Viel Freude beim Lesen!
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Freitag, 4. November 2016
Der rothe Bundespräsident
Erlenbach. Mein Vorschlag für das Amt des Bundespräsidenten: Roth! Damit meine ich weder den ehemaligen Präsidenten des 1. FC Nürnberg, noch die ehrenwerte Oberbürgermeisterin a.D. von Frankfurt. Ich schreibe über Martin Roth. Schwabe, verheiratet, drei Kinder, 61 Jahre alt. Soweit erste, persönliche Rahmendaten. Allein das qualifiziert kaum zum Bundespräsidenten; obwohl sein Alter schon mal eine der wesentlichen Voraussetzungen aus Artikel 54 (1) Grundgesetz erfüllt. Reicht das?
Nein, Martin Roth befähigt glücklicherweise mehr. Er überzeugt als Demokrat, Europäer, Debattant, Manager, Wissenschaftler, Kunstkenner, Kulturexperte, Historiker, Professor, Ordensträger und Weltbürger. Zumindest sind das die ersten Attribute, die mir bei der Durchsicht seiner Biographie auffallen. Hervorstechend ist auch seine freiwillige Entscheidung, nach fünf – nachweislich sehr erfolgreichen – Jahren seinen Posten als Direktor des Londoner Victoria and Albert Museums (V&A) zum Ende des letzten Monats zu räumen.
Den Brexit empfinde er als persönliche Niederlage. Er erkenne nationalistische und antieuropäische Strömungen, die ein stärkeres und unmittelbareres Engagement erfordern, so seine Begründung zum Abschied. Es sei Zeit, Farbe zu bekennen, findet Roth. Meine herzliche Einladung, sich auch weit außerhalb der Museen einzumischen! Wir brauchen wieder einen Bundespräsidenten, der Farbe – über jegliche Couleur des Parteibuchs hinweg – bekennt. Einen Bürgerpräsidenten zum Anfassen und Aufsehen.
Wer sich in fließendem Englisch und auf Schwäbisch mit den Menschen austauschen kann, in Frankreich sowie Dänemark zum Ritter ernannt wurde und die europäische Kultur aus intensivem Studium und langjähriger Profession kennt, ist für das Spitzenstaatsamt mit herausragender internationaler Bedeutung mindestens nicht gänzlich unvorbereitet. Die Zeit von Mauerfall bis Wiedervereinigung erlebte Roth in Berlin. Über 20 Berufsjahre verbrachte er in Dresden. Aufgewachsen in der alten Bundesrepublik, muss Roth in dieser Zeit auch gelernt haben, die Besonderheiten der ostdeutschen Seele zu begreifen.
Das macht Martin Roth zu einem guten Repräsentanten unseres Landes. Er kennt Deutschland, seine Geschichte, Kultur und Menschen. Wer aus Sorge um Demokratie und Politik bereit ist, einen lebensabendsichernden Hafen, wie den Direktorenposten eines der wichtigsten Museen Europas und der Welt freiwillig aufzugeben, um sich politisch zu engagieren, dem ist es ernst. Hier empfehle ich, die Chance beim Schopfe zu packen und Roth das Amt des Bundespräsidenten anzutragen. Es ist Zeit, Farbe zu bekennen.
Montag, 18. Juli 2016
Der Verschwörungspraktiker
Erlenbach. Ein Putschversuch in der
Türkei – die Meldung donnerte in meine gemütliche Freitagabendrunde. Ausgerechnet
freitags: Was für Christen den Sonntag ausmacht, vollziehen auch viele nicht
strenggläubige Moslems an diesem Wochentag. Es ist der Tag der Zusammenkunft,
der Einkehr, des gemeinsamen Gebets und oftmals auch des gemeinschaftlichen
Abendessens. An diesem Freitag vollzog sich in Istanbul, Ankara und andernorts
in der Türkei ein anderes Schauspiel: Eine Tragödie in menschlicher Hinsicht
und sicher ein Drama für die politische Entwicklung des Landes, der Region und
für die internationalen Beziehungen.
Ist der Vergleich mit einem Schauspiel
angemessen, wenn dabei so viele Menschen starben? Hätten sich nicht die, für so
viele Menschen todbringenden, blutigen oder bitteren, Konsequenzen eingestellt,
dann sicherlich ja. Dann hätte sich mir sogar der Vergleich mit einer Farce aufgedrängt.
Für die meisten Beobachter der türkischen Innenpolitik kam der Putsch völlig
überraschend. Der Zeitpunkt war unwahrscheinlich, die Entwicklungen rasend
schnell und das Tempo steigerte sich im Verlauf des Abends und der Nacht stetig
bis zum Knall – oder besser dem Zerfall. Nur wenige wussten hinterher, dass das
so vorhersehbar war.
Das in den Abendstunden mutmaßlich weitestgehend
leere Parlament in Ankara wurde beschossen, versucht wichtige Fernsehstationen
zu kapern und die so symbolträchtig wie verkehrssystemisch wichtigen Bosporus-Brücken
in Istanbul abgeriegelt. Der türkische Präsident weilte zunächst noch in
Freizeit fernab der Hotspots und noch in der gleichen Nacht war der im
amerikanischen Exil lebende Fethullah Gülen als mutmaßlicher Strippenzieher ausgemacht.
Am nächsten Morgen meldete die Regierung: Aufstand niedergeschlagen, Situation
wieder völlig unter Kontrolle. Angelegenheit erledigt?
Mich hat der Putschversuch überrascht. Nach
der Überraschung stellten sich für mich viele Fragen: Was motivierte die Putschisten?
Haben sie mit der freitagnächtlichen Aktion bereits ihr gesamtes Pulver
verschossen? Was sagt es über die politische und gesellschaftliche Situation
eines Landes, wenn Teile des Militärs sich mit Waffengewalt auflehnen? Mehr als
der versuchte Coup verwunderte mich jedoch Erdogans schnelle und nicht minder
martialische Abrechnung. Kann ich zwar aus seiner Sicht noch Verhaftungen
innerhalb des Militärs nachvollziehen, verstehe ich umso weniger, warum
zeitgleich tausende Richter abberufen werden?
Es ist die Macht des perfekten
Zeitpunkts. Erdogan kündigt als Konsequenz Säuberungen an. Wer säubert, will
Schmutz beseitigen. Oder das, was aus seiner Sicht die gute Ordnung stört. Der
Präsident nutzt die Gunst der Stunde. Das Momentum gewährt ihm breiten Rückhalt
in weiten Teilen der Bevölkerung. Es soll aber nicht darüber hinwegtäuschen,
dass die Türkei tief gespalten ist. Es gibt ganz offensichtlich Gegner, die zum
Äußerten bereit sind. Es ist müßig zu spekulieren, ob nicht doch Erdogan – oder
besser das System Erdogan – selbst hinter dem versuchten Staatsstreich steht. Ganz
gleich, unter dem Strich gibt es einen großen Gewinner der Stunde: Recep Tayyip
Erdogan.
Für uns als Deutsche und Europäer muss umso
dringlicher geklärt werden: Wie gehen wir weiter mit der erdogan‘schen Türkei
um? Denn aus der Gunst der Stunde wurde die Macht des Faktischen. Wie kann es
sein, dass wir ein Pulverfass solch gigantischen Ausmaßes bisher nicht auf dem
Schirm hatten? Spannend zu wissen wäre es, wie sich das Auswärtige Amt und auch
der Bundesnachrichtendienst erklären, dass die Bundeskanzlerin oder die Ressortverantwortlichen
aus dem Dunstkreis des Bundessicherheitsrates auch drei Tage später noch kalt
erwischt wirken?
Es ist zunächst zweitrangig, dass wir
als deutsche Demokraten unisono erklären, dass die mit Waffengewalt erzwungenen,
umstürzlerischen Vorgänge in der Türkei also solche grundlegend abzulehnen
sind. Wichtiger ist es, jetzt die richtigen politischen Bewertungen für uns und
unser Verhältnis zur Türkei heraus zu arbeiten. Allen, die sich über unsere eigene
Rechtssetzung allzu gerne beschweren sei gesagt, dass das Grundgesetz in
Artikel 103 ein Rückwirkungsverbot vorsieht. An ein #byebye103 und die
Wiedereinführung der Todesstrafe für Taten in der Vergangenheit ist bei uns
jedenfalls glücklicherweise nicht zu denken. In Erdogans Stunde des Triumpfes
wird sich nun zeigen, wie er mit den geschlagenen Gegnern umgehen wird. Die
Anzeichen stehen allerdings auf Blutrache.
Es würde dem Erdogan-Gedicht von Jan
Böhmermann und der Diskussion darum deutlich zu viel Bedeutung beimessen, wenn
man daraus bereits eine Vorhersage für die Geschehnisse in der Türkei am vergangenen
Freitag auf Samstag ableiten würde. Aber mindestens ein Vorsichtszeichen hätte
es darstellen können. Seinem Geltungsbedürfnis sollten die Vorfälle nicht abträglich
gewesen sein. Die zunehmend harte Hand im Inneren wird europäische
Vorstellungen von Demokratie auf eine harte Probe stellen. Im Außenverhältnis
wird das Kirschenessen mit Erdogan zukünftig wohl nicht einfacher.
Die Bosporus-Brücken verbinden den
europäischen mit dem asiatisch-arabischen Kontinent. Die Zeit wird zeigen, ob
sich Blockaden jetzt in den Köpfen noch weiter festsetzen. Angesichts der
Umstände erscheint das allerdings so. Die Bilder des Coups zeigten fast
ausschließlich junge Soldaten – insofern sie überlebt haben, werden sie mit
drakonischen Strafen und Repressionen zu rechnen haben. Zu hoffen bleibt, dass
die künftigen Generationen besser in der Lage sein werden, in den Wettbewerb
politischer Konzepte zu treten.
Ankaras Gretchenfrage
München.
Wir wurden letzten Freitag Zeugen einer bemerkenswerten Nacht. Am Samstag
wachte die Welt mit einer anderen Türkei auf.
Ein dilettantischer Putsch der viele Fragen aufwarf und noch mehr Antworten schuldig blieb. Ein erstarkter Präsident, der die Gunst der Stunde nutzte. Und die Frage aller Fragen: Wie hälst Du es
mit Demokratie, Ankara.
Was der Westen über Twitter und andere soziale Medien
über den Putschversuch in der Türkei erfuhr, förderte Spekulationen und
Verschwörungstheorien gleichermaßen. Wer hat am Freitagabend so unprofessionell
geputscht und Leib und Leben seiner Soldaten gefährdet? Wer hat im staatlichen,
türkischen Fernsehsender TRT die Erklärung vorlesen lassen und was
beabsichtigte der Friedensrat mit seinem Eintreten für die Verfassung, für die
türkische Demokratie?
So offen diese Fragen bleiben, so sicher wissen wir,
wer als Sieger vom Platz geht. Es ist nicht das türkische Volk, das sich tapfer
den Panzern entgegenstellte und aus Überzeugung und/oder Erfahrung seine Rechte
verteidigte. Leider. Gewinner ist der
furchtlose Präsident der Türkei, der die Gunst der Stunde, das Geschenk Gottes,
nutzte, um das Militär und die unbeteiligte Justiz zu säubern und der damit
seinem Ziel einer neuen, präsidialen Verfassung näher kam.
Dilettantisch war nur der Putschversuch, nicht aber
die Reaktion von Präsident und Regierung. Geschickt wurde die wehrfähige
Demokratie in Szene gesetzt und die vorher so gefährlichen Werkzeuge des
Westens benutzt. Die mächtigen Demonstrationen von Ankara und Istanbul haben
die Putschisten weggefegt. Dank Twitter und Apple riss der Kontakt zum Volk
niemals ab. Zur Sicherheit waren die Muezzine subsidiär und riefen die
Gläubigen frühzeitig auf, die Regierung zu unterstützen.
Viele vermuten, dass die türkische Regierung ein
großes Theaterstück inszenierte. Kein
westlicher Experte wollte das am Wochenende ausschließen. Wahrscheinlich ist es nicht. Zu groß ist das Risiko, dass der Putschversuch außer Kontrolle gerät.
Vermutlich trafen die Putschisten auf eine kenntnisreiche Regierung, die auf
den Versuch vorbereitet war, ihn vielleicht sogar bewusst nicht verhinderte und
zeitnahe Gegenmaßnahmen einleiten konnte. Anders ist vieles nicht erklärbar,
weder die schnelle Mobilisierung der Bevölkerung und treuen Sicherheitskräften,
noch die konsequenten Säuberungsaktionen am Folgetag.
Drängender sind jedoch die Fragen nach den
mittelfristen Folgen: Nutzt die türkische Regierung das demokratische
Flügelschlagen aus, um die Demokratie weiter zu beschneiden? Das Ziel Erdogans
ist eine andere Türkei. Stehen seine Leistungen auf wirtschaftlichem Gebiet
außer Zweifel, so ist sein Vertrauen in die Machtteilung der Demokratie seit
langem erschüttert, außenpolitisch ist er sogar gescheitert. Er wird den Putsch
nutzen, auch weil er von seinen innen- und wirtschaftspolitischen Problemen
ablenken will.
Als Partner Europas wird die Türkei unberechenbarer.
Seit einigen Tagen versucht sie ihre selbstgewählte Isolation zu anderen
Staaten zu beenden, sicher auch um die Abhängigkeit von Europa zu reduzieren.
Auch wenn wir durch die Flüchtlingspolitik ein anderes Bild haben, so ist die
Abhängigkeit von Europa Erdogans größte Schwachstelle. Er wird alles tun, um
seine Machtstellung abzusichern, für die Demokratie ist das keine gute
Nachricht.
Europa muss diesen
Bestrebungen selbstbewusst entgegentreten. Europa muss auch das eigene
Verhältnis zur Türkei überdenken und seine eigenen Interessen vertreten. Der
türkische Weg führt nicht in die Europäische Union. Die Türkei ist auch nicht
unser privilegierter Partner, sie muss vielmehr eine selbsttragende Brücke zum
Nahen und Mittleren Osten werden. Die europäische Türkei ist gescheitert. Die
Partnerschaft auf Augenhöhe ist für beide das beste Konzept. Es ist zweifelhaft, ob dies mit Präsident Erdogan gelingt.
Sicher ist aber auch, dass es irgendwann eine neue Generation geben wird. Diese
selbstbewusste Generation war es, die den Putschisten die Stirn bot und sie ist
die Zukunft der Türkei.
Mittwoch, 13. April 2016
Der kleine (großartige Böhmer-) Mann
Ob Martin Erdmann momentan gerne zur Arbeit geht? Kann ich nicht beurteilen. Ob sich der 61-jährige privat regelmäßig das Neo Magazin Royale anschaut? Ich bezweifele es. Sicher ist nur, dass Martin Erdmann jetzt weiß, wer Jan Böhmermann ist. Denn dem deutschen Botschafter in Ankara ist der Grimme-Preisträger aus Bremen nun gewiss ein Begriff. Ob Erdmann das Gedicht „Schmähkritik“ gut findet? Es ist auch völlig unerheblich.
Die öffentliche Diskussion jedenfalls
ist erheblich. Sie dreht sich nun also um ein Gedicht. Naja, zumindest reimen sich
die Zeilen. Millionen von Gedichtinterpreten sind auf einmal am Werk. Das kennt
man ja noch aus dem Deutschunterricht. Aus dieser Zeit sind uns auch pubertäre
Schmierereien bekannt. Die sozialen Medien überschlagen sich: Wie gefällt das
Gedicht? Darf Böhmermann das? Welche Satire ist erlaubt? Was sagt dazu der
Dönermann von Böhmermann?
In Neo Magazin Royale würde Hans Meiser bestimmt
dazu sagen: „Armens Deutschland, armes Deutschland“. Denn es hat an der
falschen Stelle gejault, als Böhmermann provozierte und seine Finger in gleich
zwei Wunden legte! Denn wir müssen dringend über zwei Sachen reden: Erstens ist
die Kunst grundgesetzgarantiert frei und kein Anlass um Botschafter
einzubestellen. Vor allem aber zweitens: Lasst uns dringend über Erdogan reden.
Hut ab, denn Böhmermann zeigt uns eindrucksvoll, dass Widerstand die Pubertät der Veränderung ist. Es muss sich auch etwas verändern. Deutschland muss es schaffen, die Flucht- und Asylsituation zu managen und dabei die Humanität nicht aus den Augen zu verlieren. Sicher, dafür brauchen wir die Türkei. Ohne Erdogan ist nicht an ein Eindämmen oder Beenden des Konfliktes in Syrien zu denken. Trotzdem muss auf den Tisch, was der Staatspräsident kritischen Journalisten, Demonstranten, kurzum Andersdenkenden, rigoros in seinem Land angedeihen lässt. Das darf niemals (mehr) in unserem Land passieren.
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