Wir vertreten die MAINung, dass Politik von der Diskussion lebt. Dieser Idee haben wir unseren Blog gewidmet. Wir sind Nikolaus Barth und Daniel Müller. Langjährig in der Jungen Union/CSU aktiv und zwischenzeitlich in verschiedenen Berufen und Orten beheimatet. Wir sind unseren Wurzeln dennoch weiterhin verbunden und mit dem steten Drang sich zu Wort zu melden. Die Themen reichen vom Untermain über München und Berlin bis nach Brüssel und darüber hinaus.

Viel Freude beim Lesen!

Sonntag, 24. September 2017

Götterinnendämmerung - nur die Grünen überraschen

München. Die Union erlebt in zweifacher Hinsicht eine Zäsur: Merkel und Seehofer fahren in steter Eintracht ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Den Sozialdemokraten ist es zu verdanken, dass es einen noch größeren Verlierer gibt. Neben den erwarteten Siegern aus dem liberalen und nationalen Lager - FDP und AfD - überraschen starke Grüne. Nicht nur die SPD weiß: Ein „Weiter so!“ mit Angela Merkel wird es nicht geben. 

Weltklasse für Deutschland reicht nicht mehr

Die Hochrechnungen bestätigen die Befürchtungen. Die Regierungsparteien stürzen ab und sehen sich einer neuen Oppositionspartei gegenüber. Die Union konnte nicht mobilisieren, hatte nicht wirklich eine Idee, wie sie unser Land weiterentwickeln kann. Abseits des Dissens in der Flüchtlingspolitik hat kein weiteres Thema einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Freilich hat die Kanzlerin in der Welt einen Ruf wie wenige. Sie erinnert aber an den späten Kohl. Weltklasse für Deutschland reicht nicht mehr aus. Kohl wie Merkel scheitern an Europa. Der eine glaubte, ohne ihn wird es keine europäische Einheit geben, die andere sieht das Scheitern Europas in der Flüchtlingsfrage und die Kakophonie Europas als Verpflichtung für sich weiterzumachen. In der Welt geschätzt reicht nicht aus, um eine erfolgreiche Regierungspolitik zu verkaufen. Angela Merkel kann dieses Land nicht kraftlos weiter regieren, sie ist nicht alternativlos. Viele in der Union werden diese Alternative einfordern, schon allein weil sie aus eigenem Antrieb – man kann es auch Wut im Bauch nennen – nicht mehr für die Kanzlerin laufen und stimmen werden. Die Union hat vor allem die Wahl in Bayern verloren. In diesem Punkt behält Strauß recht: Die Union kann nur erfolgreich sein, wenn sie ihre rechte Seite nicht vernachlässigt. Die Idee Merkels, die fehlenden rechten Stimmen aus dem linken Lager zu holen, ist gescheitert. Wer Merkel wollte, konnte die CSU eigentlich nicht wählen.

Das war es mit der Schröder-SPD

Mit knapp über 20% ist die Niederlage ein Desaster. Mit ihrem landespolitischen Kurs der sozialen Gerechtigkeit konnte die SPD nicht überzeugen. Die Schröder-SPD ist nun Geschichte. Die Schröder-Fraktion mit Gabriel, Schulz, Scholz, Oppermann, Steinmeier und vielen anderen wird künftig keinen Einfluss haben. Andrea Nahles hatte sich im Wahlkampf spürbar zurückgehalten und wird nun die Fraktionsspitze und später die Parteispitze übernehmen. Damit werden sich die Sozialdemokraten links der Mitte orientieren und noch stärker als bisher Politik aus der Mikroperspektive machen. Vorbei ist die Agenda 2010, der Fokus wird viel stärker als heute die Verteilungspolitik sein. 

Liberale profitieren von der fehlenden Wirtschaftspolitik

Die FDP ist zurück. Viele sagen „Gott sei Dank“. Ihre Stärke ist der fehlenden wirtschaftspolitischen Note zu verdanken. Sorgen bereitet vielmehr das politische Personal. Die erste Reihe ist unterbesetzt und besteht aus Christian Lindner, die zweite Reihe den wenigstens bekannt. Daraus führungsstarke Minister zu rekrutieren sicherlich keine einfache Aufgabe. Aber auf die Regierungsmannschaft kommt es an.

Die Linken bestätigen ihr Ergebnis – die Grünen sind Überraschungssieger

Sarah Wagenknecht war die Bella Figura des Wahlkampfs. Im Vergleich zur SPD hat die Partei die richtigen sozialpolitischen Themen angesprochen. Während die Sozialdemokraten in der Hauptsache landes- und kommunalpolitische Themen im Wahlkampf nutzten, haben die Linken die aus ihrer Sicht kritischen Sozialthemen angesprochen und dabei auch in der Flüchtlingspolitik einen deutlichen Rechtsdrang verspürt.
Die Grünen konnten offenbar mehr mit ihrem Führungsduo und ihren Themen überzeugen als gedacht. Scheinbar haben viele den streitfreien Wahlkampf mit größtenteils klimapolitischen Themen geschätzt ohne die angedrohten Diesel-Fahrverbote überzubewerten. In einer möglichen Koalition sollten die Grünen hingegen auf ihren norddeutschen Realpolitiker Robert Habeck setzen. Er bringt die notwendige Erdung für eine Regierungspartei mit.

Die AfD erledigt sich selbst

Die Harmonie der Grünen im Wahlkampf war bemerkenswert, der störungsfreie Wahlkampf der AfD hat überrascht. Es war nicht schwer vorherzusehen, dass die AfD mit einem starken Ergebnis in den Bundestag einziehen wird. Das auch im Kanzlerduell dominierende Thema der Flüchtlingskrise hat die Partei tsunamiartig in den Bundestag gespült. Wer nach weiteren Themenfeldern der jungen Partei sucht, wird wenig finden. Fündig wird er dagegen, wenn er die zum Teil rechtsradikalen Ideen einiger künftiger Mitglieder des deutschen Bundestags sucht. Genau hier wird eine Sollbruchstelle auftreten: Die AfD von Frauke Petry und die AfD von Alexander Gauland und Alice Weidel sind unterschiedlich. Mit an die 90-100 Mitgliedern wird es sehr schnell zu Konflikten und Brüchen kommen bis hin zur Spaltung von Partei und Fraktion. Der Rest ist harte parlamentarische Auseinandersetzung. 

Es riecht nach Jamaika – die GroKo ist noch nicht vom Tisch

Die Regierungsbildung wird sehr schwierig. Bis zur Niedersachsenwahl in gut drei Wochen werden sich die Parteien kaum bewegen, am wenigstens die SPD. Trotz der demonstrierten Einigkeit von heute Abend wird auch in der SPD ein Streit um den Kurs der Partei entstehen. Sigmar Gabriel und andere sind viel zu jung, um in den politischen Vorruhestand zu gehen und so wird spätestens in drei Wochen das Thema noch einmal andiskutiert werden. Grüne und Liberale können sich vielleicht unter der Führung von Robert Habeck und Christian Lindner einigen, das Störfeuer wird aus München kommen. Mit dem katastrophalen Ergebnis der CSU dürften aufgrund der bayerischen Überhangmandate der CSU und der Wahlbeteiligung in Bayern keine zusätzlichen Listenplätze an die CSU fallen und bei den anderen Parteien zu einem entsprechenden Ausgleich führen. Die Unruhe vor der bayerischen Landtagswahl in 2018 wird zu einem harten Kurs der CSU, die im Gegensatz zur Koalition von 2013 diesmal nicht verzichtbar ist, führen. Das Ergebnis wird zu Kurskorrekturen bei Union führen, die nur schwer mit grünen Positionen vereinbar sind. Im Zweifel ist die große Koalition leichter und einfacher zu verhandeln als Jamaika. Auch für die FDP wäre eine Regierungsbeteiligung im zweiten Schritt besser als heute.

GroKo ohne Merkel 

Sollten die Konflikte im Rahmen der Jamaika-Sondierung unüberwindbar sein, wird man sich der großen Koalition noch einmal widmen müssen. Die SPD treibt den Preis derzeit sehr geschickt nach oben. Die Argumente des Abends greifen: Ja, das Parlament braucht eine starke unideologische Opposition und ja, die SPD hat unter Merkel gelitten. Sich heute aber hinzustellen und nur sich selbst als parlamentarisches Bollwerk gegen Rechts zu bezeichnen ist ungerecht gegenüber den übrigen Parlamentariern. Die SPD geht taktisch vor: Nur wenn der Preis hoch genug ist, werden die Mitglieder, die darüber abstimmen werden, einer Großen Koalition zustimmen. Der Preis ist Merkel. Sie wird im Rahmen einer neuerlichen Koalition ihre eigene Nachfolge regeln müssen – in ein bis zwei Jahren. Von der Union wird sie mit diesem Ergebnis keine Schützenhilfe mehr erhalten.

Es bleibt spannend.