Wir vertreten die MAINung, dass Politik von der Diskussion lebt. Dieser Idee haben wir unseren Blog gewidmet. Wir sind Nikolaus Barth und Daniel Müller. Langjährig in der Jungen Union/CSU aktiv und zwischenzeitlich in verschiedenen Berufen und Orten beheimatet. Wir sind unseren Wurzeln dennoch weiterhin verbunden und mit dem steten Drang sich zu Wort zu melden. Die Themen reichen vom Untermain über München und Berlin bis nach Brüssel und darüber hinaus.

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Mittwoch, 19. September 2018

Die enterbte Zukunft

Am Ende Europas (Sagres/Portugal). Selten waren die Zeiten politischer Unruhe so groß wie derzeit in Europa. Selbst der politische Stabilitätsanker Deutschland scheint nicht mehr verlässlich zu sein. Die Unzufriedenheit mit der politischen Klasse und die Bereitschaft, auf radikale Wege auszuweichen, haben ihren Nährboden in der Unfähigkeit, Probleme klar zu beschreiben und nachhaltige Lösungen anzubieten. Dabei geht es meiner Generation offensichtlich nicht schlecht. Aber es fehlt ihr eine positive Vision ihrer Zukunft.

Abseits der tagespolitischen Diskussion hat sich in Deutschland die politische Landkarte nachhaltig verändert. Die politische Klasse schein entrückt. Stammwähler sterben aus und mit ihnen die Volksparteien. Stabile Mehrheiten scheinen nur noch in seltenen Fällen und jenseits der großen (kleinen) Koalition möglich. Die Wahlergebnisse sind Ausdruck von Unzufriedenheit und Misstrauen. Und wer daraus ein ostdeutsches Problem machen möchte, liegt falsch. Die jungen Länder machen höchstens vor, was die alten schon bald lernen müssen. Entmachtet Politik sich selbst? Oder wiederholt sich Geschichte? 

Den Nährboden zu beschreiben ist viel komplexer als es die populistischen Meinungsmacher dieser Tage glauben lassen. Egal wie man es dreht und wendet: Die heutigen Leistungsträger der Alterspyramide, diejenigen die in ihren 30er und 40er Lebensjahren sind, schauen auf eine enterbte Zukunft. Sie wissen, dass sie außer Problemen nichts erben können. Sie fürchten, dass es keine Möglichkeit gibt, das Erbe auszuschlagen. Doch genau diese Wählergruppe hat früher durch ihre Wechselbereitschaft Wahlen entschieden. Bewegt sie sich nun an die linken und rechten radikalen Ränder, verspielt Deutschland seine Zukunft. Für diese Generation reichen einfache Antworten nicht mehr aus. Manch einer stellt die Systemfrage.

Nicht die Vergangenheit bestimmt die Zukunft, aber die Hypotheken der Vergangenheit gestalten sie mit. Es ist zweifelsfrei noch immer so, dass Deutschland auf einem starken Fundament gebaut ist. Dieses zu bewahren und zukunftsfest zu machen, ist Aufgabe der Politik. Hier beginnt ihr Versagen. Nicht alles war früher besser, aber das Problembewusstsein ist heute gestiegen. Dennoch erreichen uns im Privaten Botschaften, die schon heute zeigen, dass nicht mehr für alle genug da ist: In den Metropolregionen fehlen Wohnungen, Schwimmbäder schließen in Stadt und Land, Schulstandorte werden aufgegeben und selbst herausfordernde Jobs sichern nicht mehr das Existenzminimum. Gleichzeitig erklärt die Politik Rekordsteuereinnahmen und Ausgabendisziplin. 

Geld scheint nur für andere und für andere Generationen da zu sein: Was hilft mir ein Rentenkompromiss, wenn meine Beiträge steigen und mein Rentenniveau bis 2050 auf ein nicht mehr nennenswertes Niveau gesunken ist? Was bringt es meiner Familie, wenn andere keine KITA-Gebühren bezahlen müssen, mir aber kein KITA-Platz angeboten werden kann, weil weder die KITA noch die Fachkräfte verfügbar sind? Was nützt es mir, wenn Stadt und Land besser verzahnt werden sollen, die Mieten aber jetzt steigen und der ÖPNV frühsten in 10 Jahren ausgebaut ist? Wie soll ich verstehen, dass vor mir Jahrzehnte lang der Verkehr die Luft verschmutzen durfte und ich nun trotz höchster (Öko-)Strompreise nicht mehr mit meinem Auto in die Stadt fahren darf? Weshalb arbeite ich immer mehr, aber von meinem steigenden Einkommen profitiert der Staat mehr als ich? 

Solche Fragen mit Hinweisen auf Statistiken und eine positive Gesamtlage beantworten? Alles Lügen? Der aufgeklärte Bürger ist nicht mehr bereit, den Berg an Problemen zu übersehen und wendet sich von der Politik entweder ganz ab oder gibt anderen eine Chance, es besser zu machen – sei es, weil sie neu sind oder Probleme anders ansprechen. Mischt sich eine solche Grundunzufriedenheit mit der ungelösten Flüchtlingskrise, werden Durchhalteparolen zu Wahlprogrammen für die radikalen Ränder. 

Solange die Tagespolitik mit sich selbst beschäftigt ist und ihre Politik nicht erklären kann, kein Verständnis für die Alltagsprobleme entwickelt und keine konkrete Vision für eine bessere Zukunft entwirft, wird sich der Zulauf zu den Rändern beschleunigen. Mehr denn je gilt die Aufforderung: Macht endlich Politik! (für Eure Kinder und Enkelkinder!)