Wir vertreten die MAINung, dass Politik von der Diskussion lebt. Dieser Idee haben wir unseren Blog gewidmet. Wir sind Nikolaus Barth und Daniel Müller. Langjährig in der Jungen Union/CSU aktiv und zwischenzeitlich in verschiedenen Berufen und Orten beheimatet. Wir sind unseren Wurzeln dennoch weiterhin verbunden und mit dem steten Drang sich zu Wort zu melden. Die Themen reichen vom Untermain über München und Berlin bis nach Brüssel und darüber hinaus.

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Samstag, 27. Oktober 2012

Neokonservativ

München. Abseits des Tagesgeschäfts stellen sich politische Kommentatoren bereits die Frage, was von Angela Merkel im historischen Kontext haften bleibt. Mit Blick auf ihr Wirken in der Union sprechen nicht wenige von einem Verlust an Werten. Der fehlende Markenkern mache die Union für Stammwähler unattraktiv. Ich stelle mir heute daher die Frage, was ist neokonservativ.

Auch in meinem 15. Jahr in der CSU pflege ich auf die Frage nach dem Grund für meine Mitgliedschaft ausweichend zu antworten. Niemals habe ich bewusst gesagt, ich sei konservativ. Meist erkläre ich mich dem linksliberalen Flügel der CSU zugehörig und beizeichne mich gleichzeitig als dessen einziges Mitglied. In vielen Teilen ist mir die Union fremd. 

Doch kehren wir zurück zur Eingangsfrage und blicken auf das Wirken Angela Merkels innerhalb der Partei. Nach dem Bruch mit Kohl vor 13 Jahren hat sie die Union kontinuierlich erneuert. Im Rückblick auf ihre Kanzlerschaft wird dies neben ihrem Regierungswirken haften bleiben. Kritker summieren häufig den Atomausstieg, die Abschaffung der Wehrpflicht, die Einführung von Kinderbetreuung im frühsten Alter, die Unterstützung der Südeuropäer in der aktuellen Krise und viele andere Punkte zum genannten Markenkernverlust. Innerhalb der Union stellen sich viele dennoch die Frage, weshalb die Partei gerade mit Blick auf die Großstädte offenbar nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist. Gerade die Wahl von Fritz Kuhn zum OB von Stuttgart wird beleghaft hierfür aufgeführt. Eine Rückkehr zu den alten Werten wird, auch von vielen jungen Mitstreitern, gefordert.

Häufig werfe ich meiner Partei, der CSU, vor, diese Merkel'schen Sprünge nur halbherzig nachempfunden zu haben. Tatsächlich stimme ich im Grunde mit der Analyse der FAZ zum Wahlausgang in Stuttgart überein: Die Union wird nicht wegen ihrer programmtischen Haltung in Großstädten gemieden, sondern weil sie sich immer noch hinstellt und sich mehr oder minder dafür schämt.

Ich möchte zu meiner Partei stehen und sagen: Ja, ich bin neokonservativ. Für mich bedeutet neokonservativ die Verbindung von liberalen Ideen und einem solidarischen Fundament auf dem die Bürger ihren Staat bauen können, ohne an diesem die Vormundschaft über ihr eigenes Leben zu verlieren.

Konkret gesprochen habe ich nie verstanden, was daran konservativ ist für die Wehrpflicht einzustehen oder zu wissen, dass der Strom nicht nur aus der Steckdose kommt, sondern von (Atom-)Kraftwerken produziert wird. In diesen multipolaren Zeiten und dank dem Mangel an direkten Gegner, verbunden mit einer 'Wehrungerechtigkeit', bin ich doch froh, die Wehrpflicht aussetzen zu können. Nie wieder Krieg sollte die Losung sein und Armeen überflüssig machen. Solange  dieser Grundsatz auf der Welt nicht herstellbar ist, erscheint mir die Übergangslösung in heutiger Form sinnhaft.

Auch habe ich nie verstanden, was an dem Betreiben von AKWs konservativ ist. Wir, und gerade auch unsere derzeit hochgelobte Industrie, benötigen Energiesicherheit. Ein Energiekonzept der Zukunft kann ohne Atomkraft funktionieren. Wer das glaubt, verrät keinesfalls seinen Markenkern.

Hingegen ist Kinderbetreuung notwendig, weil es durchaus konservativ ist, vom Menschen her zu denken. Es muss, gerade in einem Staat, der vor den mächtigen Verwerfungen und Herausforderungen des demographischen Wandels steht, möglich sein, den Menschen Freiheit in der Wahl ihrer beruflichen Perspektiven zu geben und ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen.

Es wären viele weitere Beispiele möglich. Ich möchte mit einem Strauß Zitat schließen: "Konservativ sein heißt, an der Spitze des Fortschritts marschieren." Es heißt nicht, alten Zeiten nachzutrauern, an alten Programmen zu hängen und die Zukunft als etwas bedrohliches zu sehen. Es bedeutet vielmehr seine Talente selbst in die Hand zu nehmen und der Gemeinschaft damit zu dienen. Nicht der Staat sollte uns hierzu auffordern. Wir Bürger sollten aktiv an der Zukunft mitarbeiten. Die Union hat die Chance diese Gedanken zum Markenkern weiterzuentwickeln. Darin unterscheidet sie sich von den Kernen anderer Parteien, die entweder allein dem Staat oder allein dem Markt vertrauen, niemals aber den Menschen und mündigen Bürgern in den Mittelpunkt ihrer Programmtik setzen.