Ein runder Geburtstag – ein Grund zum Feiern! 30 Jahre werden Die Grünen in diesen Tagen. Ein Grund zum Feiern? Die Berichterstattung zu diesem Ereignis ist oft von der bewegten Geschichte dieser politischen Gruppierung geprägt: Die unangepasste Anti-Parteien-Partei von einst hat sich heute merklich in den Münchner, Berliner und Brüssler Parlamentsbetrieb eingepasst. Ein Grüner im feinen Zwirn ist selbst in den eigenen Reihen nichts Ungewöhnliches mehr, die politische Meinung geht heuer auch weit über die Anfänge der Umwelt- und Friedensaktivisten hinaus. Ein bemerkenswerter Entwicklungsprozess.
Zum Wiegenfest der Bundespartei frug ich mich, wie es denn eigentlich um den Bündnisgrünen Kreisverband in Miltenberg stünde? Ein Blick auf die Homepage ergab keine Hinweise auf exzessive Partystimmung des heimatlichen Verbandes. Dafür stöberte ich mit einer Mischung aus Interesse und Verwunderung durch die Texte. Sitzungsprotokolle aus verschiedenen Verbandsebenen sind öffentlich zugänglich hinterlegt. Eine transparente Informationspolitik spricht ja zunächst einmal nicht gegen den politischen Wettbewerb. Die eine oder andere Passage ließ meine Mitfeier-Laune dann doch erheblich schwanken.
Auf der im alten Jahr abgehaltenen Kreisversammlung im Obernburger Karpfen berichtet beispielsweise der Aschaffenburger Landtagsabgeordnete Thomas Mütze über die BayernLB und deren unglückliche Übernahme der Hypo Group Alpe Adria (HGAA). Dies scheint allerdings nur einer der Punkte zu sein, warum man auf die regierende Partei nicht so gut zu sprechen ist. Sogar etwas schadenfroh wird protokollarisch festgehalten, dass „Roland hofft, dass das Image der CSU endlich Mal nachhaltig beschädigt bleibt“. Der darf aber auch mal ordentlich wettern, denn „Sylvia bedankt sich an dieser Stelle ganz herzlich bei Roland, da er als einziger die Zeit gefunden hat für den Nichtraucherschutz plakatiert hat“. Wer sich an dieser Stelle allerdings über meine Zitierfertigkeiten wundert, dem darf ich die wortwörtliche Übernahme des vorangegangenen Zitats versichern, mit dem ich zumindest sachlich d´accord gehe. Ein Glück erhält das bürgerliche Lager alsbald Hilfe! Denn gleich unterhalb lese ich weiter – ohne, dass mir der Zusammenhang sofort ersichtlich wird – über eine sicher gut gemeinte Unterstützung: „Die FDP und die CSU scheinen nicht ganz so toll zu harmonieren. In Sachen Wirtschaft gibt es ständig Reibereien und Neckereien. Thomas hatte sich mit der BI in Kleinheubach getroffen. Diese wollen sich noch entscheiden, ob sie eine Petition einreichen wollen und setzen sich ggf. mit uns wieder in Verbindung“. Klasse, die Solidarität gilt offensichtlich auch gegenüber den Konservativen. Geburtstagsfreude pur!
Der Grund, warum die Miltenberger Grünen den 30. Geburtstag nicht mitfeiern wird sofort deutlich, als ich über das ergreifende Schicksal von Sinan und die Umstände um den Bundesdelegiertenkongress (BDK) lese: „2. Bericht BDK in Rostock entfällt, da der Delegierte Udo Hawlitschek nicht anwesend ist. Jochen war als Ersatzdelegierter nicht hingefahren. Der Ersatzdelegierte Sinan wurde damals kurzfristig von Sylvia und Steffi zum zu Haus bleiben aufgefordert, da Sinan weder über den Zeitpunkt der Bahnfahrt informiert worden ist, noch ein Zimmer für ihn reserviert worden war. Die Sprecherinnen wollten Sinan nicht zumuten ohne Zimmer „dazu stehen“. Es gab keinerlei Absprache zwischen den Delegierten, was sehr bedauerlich und ärgerlich ist“.
Der Bericht zum Landesdelegiertenkongress (LDK) verheißt auch keine Besserung. „Nachdem Jochen auch kurzfristig an der LDK nicht teilnehmen konnte, ist Sylvia eingesprungen, jedoch nur am Samstag, da eine so kurzfristige Umplanung bei ihr nicht möglich war. Sylvia hat unter anderem mit Theresa Schopper gesprochen und konnte diese für die geplante Podiumsdiskussion zum Thema Gesundheitspolitik gewinnen. Sie ist gerne bereit gegen Wolfgang Zöller CSU „anzutreten“ Der Samstagvormittag war geprägt vom Rückblick auf das Wahlkampfjahr 2009 und der landespolitischen Rede von Theresa Schopper sowie der bundespolitischen Rede von Claudia Roth.“ Wolfgang sollte sich warm anziehen. Das wird ein heißes Faustduell. Solche Handgreiflichkeiten kommen bei den eigentlich eher pazifistisch geprägten Grünen häufiger vor, als von mir gedacht: „Sonntags fand die Wahl der Landesvorsitzenden statt. Mit 138 Stimmen setzte sich Theresa Schopper gegen ihre Konkurrentin Jutta Deinbeck (99 Stimmen) durch. Frank wundert sich über das „abwatschen“ von Theresa“. Watschen werden also auch bei den Grünen direkt an der Wahlurne verteilt. Streitereien zum Geburtstag?
Überrascht las ich im Protokoll zum „Bürgerstammtisch“ des Grünen Ortsverbandes Obernburg einen weiteren kleinen Seitenhieb. Dieses Mal aber in Richtung der 4. Gewalt: „Ansgar schreibt dieses Mal keinen Pressebericht da er höchstwahrscheinlich nicht im Main-Echo veröffentlicht wird. (KV-Vorstand und KT-Fraktion waren über die Änderungen der Redaktion im Oktober von Presse informiert worden)“. Selbst die Kollegen aus dem linken Lager scheinen ihre Erfahrungen mit dem medialen Korrektiv der Gewalten gemacht zu haben. Diese Art der Resignation stimmt mich nicht beruhigt, sondern ich hege ein gewisses mitleidiges Verständnis für die von grüner Feder beschriebene Situation.
Eine Bemerkung aus dem Protokoll der Bezirksversammlung Ende November 2009 stimmt mich dann noch konzilianter. „Angenehm überrascht ist Hans-Josef über die Feststellung, dass Minister Röttgen GRÜNE Politik macht. Dies ist natürlich sehr erfreulich und positiv, birgt jedoch die Gefahr, dass GRÜNE Politik übernommen wird und wir somit überflüssig werden. Oder sollte damit „schwarz/GRÜN“ vorbereitet werden?? Wir müssen unser Profil stärken und uns klar absetzen! Auch Minister Brüderle wünscht sich angeblich 100% Erneuerbare Energien!“. Schön, dass man den Bürgerlichen eine nachhaltige Politik zutraut!
Genau wie Horst Seehofer der SPD bei seiner Wahl zu Ministerpräsidenten zu recht vorgehalten hat, dass es unzureichend und einer ordentlichen Opposition unangemessen sei, nur aus Zeitungsartikeln zu zitieren, nehme ich dies auch als Mahnung. In diesem Bewusstsein, lasse ich für heute das Zitieren aus Protokollen und will deshalb auch sehr versöhnlich enden. Die politische Meinungsvielfalt und das Ringen um den richtigen Weg gehören unabdingbar zur Demokratie. Ich freue mich auch in Zukunft auf die Diskussion mit den Grünen. Horst Seehofer beschrieb es deutlich: „Wir sollten nicht gegen den Diskurs sein. Der Diskurs ist notwendig, auch in der Kontrolle, auch wenn man den richtigen Weg finden will. Eines sollten wir uns gemeinsam für die Zukunft vornehmen, nämlich dass wir den Wettstreit mit Argumenten führen und nicht durch die persönliche Herabsetzung. Ich glaube (…) wenn wir uns nicht in erster Linie mit persönlichen Bewertungen, Geringschätzungen und Herabsetzungen beschäftigen, sondern mit dem Argument, dann werden wir gemeinsam dazu beitragen können, dass unser aller Ansehen, an dem wir alle parteiübergreifend Interesse haben müssen, in den Kreisen, denen wir unser Mandat verdanken – das ist der Souverän, das Volk – wieder zunimmt“. Da ich es mit Professor Dieter Weirich halte und keine Gegner, sondern nur kritische Partner kenne, gratuliere ich herzlich zum Geburtstag und bemühe mich als mein Geschenk um die besseren Argumente, keine Schläge!