Berlin. Die Grünen haben in der vergangenen Woche die Sondierungsgespräche mit der Union beendet und gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen gestimmt. Gleichzeitig beweisen sie mit ihrer Analyse nur wenig dazu gelernt zu haben. Schade eigentlich.
Gefühlt waren die Grünen im Vorjahr nah dran am Regierungswechsel. Mit stabilen Umfrageergebnissen von über 15% und fortlaufenden Erfolgen auf Landesebene war die Enttäuschung am Wahlabend groß. Nur die viertgrößte Fraktion zu stellen, die Vorhersagen nahezu halbiert zu haben, gab es niemanden bei den Grünen, der das Ergebnis umdeuten konnte. Die Niederlage schickte sie in eine Krise und verhinderte die Bereitschaft der Grünen, ernsthaft über eine Koalition mit den Schwarzen nachzudenken.
Doch die Grünen waren alles andere als vorbereitet und drohen sich nun in einem Lagerkampf zu verzetteln. Teilweise abenteuerlich ist die Begründung der Wahlniederlage. Trittin meinte, die Wähler seien noch nicht bereit für das Wahlprogramm gewesen. Fehlerhaft waren die Wähler, die Partei hat immer recht. Das gilt in Stuttgart wie in Berlin.
Unter der Maximalforderung scheint es für viele, allen voran für die Linken innerhalb der Grünen, nicht zu gehen. Der Atomausstieg ist kein Hinderungsgrund für ein schwarz-grünes Bündnis mehr. Auch in vielen anderen Bereichen sind die Differenzen geringer geworden. Doch die Gräben zwischen beiden scheinen immer noch tief und die alte wie neue Führung möchte den Mitgliedern kein Zuschütten dieser Gräben zumuten. Das ist ein Fehler.
Die Geschichte zeigt, die Grünen standen sich in dieser Sache häufig selbst im Weg. Schon in den 1980er Jahren warnte Joschka Fischer seine Grünen, nicht mit überzogenen Forderungen den Atomausstieg zu gefährden. Es kam anders und die Kraftwerke laufen heute noch. Viele Grünen sind auf dem Weg zurückgeblieben, weil sie sich der Politik ihrer Linken nicht mehr weiter anschließen konnten. Andere wurden regelrecht durch die Regularien rausgewählt. Oswald Metzger, Christine Scheel, Reinhold Bütikofer oder Fritz Kuhn sind nur einige Namen auf dieser Liste.
Wie Michael Spreng (sprengsatz.de) richtig analysiert, gab es eine große Chance für schwarz-grüne Perspektiven auf Landes- und damit Bundesebene. In Baden-Württemberg verhinderte lediglich eine Kamikazeaktion des schwarzen Fraktionsvorsitzenden, dass die beiden Parteien 2006 Koalitionsverhandlungen vereinbarten. An den Folgen leiden heute beide. Zuletzt radikalisierten sich die Grünen und vertieften den Graben einseitig, wo die anderen schon mit dem Zuschütten begannen.
Ein idealtypisches Beispiel bildet Kathrin Göring-Eckardt, die Wandlungsfähige. Besonders beliebt scheint sie bei dem sozialdemokratischen Wunschpartner nicht zu sein, sonst würden deren Spitzenkräfte ihren Namen häufiger richtig schreiben. Sie stand lang an der Spitze des Fortschritts, war die grüne Streiterin für die Schröder'sche Agendapolitik. Danach tauchte sie acht Jahre lang im Bundestagspräsidium unter, um wieder aufzusteigen und zur starken Frontfrau zu werden. Diesmal ist ihr Weg allerdings ein anderer, heute steht sie für den erziehenden und verteilenden Staat.
Schwarz-grün war und ist eine Chance für dieses Land. Die Überschneidungen sind groß, die Aufgaben wie für beide Partner gemacht. Bewegen müssen sich beide. Es bleibt die Hoffnung, dass es im Politiklabor Hessen zu dem kommt, was dort kaum einer für möglich hielt: Eine schwarz-grüne Perspektive.