Wir vertreten die MAINung, dass Politik von der Diskussion lebt. Dieser Idee haben wir unseren Blog gewidmet. Wir sind Nikolaus Barth und Daniel Müller. Langjährig in der Jungen Union/CSU aktiv und zwischenzeitlich in verschiedenen Berufen und Orten beheimatet. Wir sind unseren Wurzeln dennoch weiterhin verbunden und mit dem steten Drang sich zu Wort zu melden. Die Themen reichen vom Untermain über München und Berlin bis nach Brüssel und darüber hinaus.

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Mittwoch, 4. März 2015

Grexit.

München. Mit dem Votum der Zustimmung des deutschen Bundestags war der Weg für die viermonatige Verlängerung des griechischen Hilfsprogramms frei. Die überwältigende Mehrheit spiegelte nicht die breite Skepsis wieder, die der neuen griechischen Regierung entgegenweht. Der Grexit droht.

Immer wieder stellt sich Frage, wie konnte es eigentlich soweit kommen. Zu Beginn der Währungsunion entwickelten die Europäer die Lissabon-Strategie. Das Ziel bestand darin, die Wettbewerbsfähigkeit der EU innerhalb von 10 Jahren zu erhöhen. Doch nach zehn Jahren war die EU ihrem Untergang näher als der Erreichung des Ziels.

Europa war gefordert, eine Krise zu überwinden, auf die niemand vorbereitet war. Im Krisenmodus fehlten die Blaupausen. Was ist richtig, was ist falsch? Die Doktrin des Sparens, geprägt von den Deutschen, war eine Medizin, die keineswegs den schellen Erfolg versprach oder eine schnelle Linderung von den Schmerzen. Im Gegenteil: Bevor es besser werden konnte, wurde es viel schlimmer. Und erst heute, nach und nach verbessern sich die Wirtschaftsindikatoren in den Krisenländern. Wachstumsfördernde Strukturreformen fehlen.

Die Kanzlerin, und viele mit ihr, haben erkannt, dass die Solidarität der Starken mit den vermeintlich Schwachen nicht umsonst ist. Die Handelnden sind auf die Zustimmung ihrer Wähler angewiesen und leichtfertig vergibt niemand Kredite und Steuergeld. Das sollte gerade das Mutterland der Demokratie verstehen.

Wer Solidarität will, ist aufgefordert etwas zurückzugeben. Dabei ist nicht Dankbarkeit zu erwarten, sondern vielmehr Verständnis dafür, dass die Europäer in einem gemeinsamen Boot sitzen und dieses nur eine Richtung ansteuern sollte.

In Griechenland ist dieses Verständnis nicht vorhanden. Die dortige Regierung möchte die Richtung vorgeben, obgleich der Kurs schwere Unwetter bedeutet. Am Ende könnte das gemeinsame Boot sogar sinken. Das scheint wahrscheinlicher denn je. Der Rest Europas sollte sich dessen bewusst sein und alles dafür tun, dass die Schäden des aufziehenden Sturms namens Grexit überschaubar bleiben.

Wolfgang Schäuble sagte dazu am Tag der Abstimmung: „Wir Deutschen sollten alles daran tun, dass wir Europa zusammenhalten, so weit wir können, und zusammenführen. Wieder und wieder.“ Das sollten wir. Aber die Solidarität mit anderen und der Blick auf das, was wir auch in Zukunft können wollen, zwingt uns dazu zu ergänzen: nicht um jeden Preis.

Krieg den Palästen!


Erlenbach. Diese Überschrift taugt als Nachricht über der Nachricht: „Der Entmachtung der Demokratie wird zugestimmt.“ Es ist der Titel eines kürzlich im Main Echo erschienenen Leserbriefs zu TTIP, CETA und TiSA. Der Schreiber bezweifelt stark, dass es die Verhandlungsführer gut mit den deutschen Bürgern meinen. Die üblichen Schreckgespenster werden bildhaft beschrieben: Geheimverhandlungen, Privatisierungswahn, unbeschränkte Staatshaftung und himmelschreiende Ignoranz von Politikern. Zum Schluss ist wieder einmal die Zukunft unserer Kinder gefährdet.

Bei solchen emotionsgeladenen Diskursen scheint es für einige Menschen um mehr zu gehen als völkerrechtliche Verträge. Es geht um Weltbilder. Diese leiten sich selten aus Fachdiskussionen über Vertragstexte oder Wohlfahrtsstatistiken ab. Sie ergeben sich vielmehr aus Emotionen, wenn aus der subjektiven Wahrnehmung der Einzelnen ein Gruppenkonsens wird. Im Falle der sehr aufgebracht wirkenden Gegner geht es um die Deutungshoheit zu den Freihandelsabkommen. In biblischer Anlehnung stilisieren sie es zur Frage, ob die Kräfte des Guten oder die des Bösen siegen werden? Die Rollen sind offenbar bereits zwischen den Bewahrern von Demokratie und Schöpfung einerseits, sowie den kapitalistischen Lobbyisten und Freunden amerikanischer Großkonzerne andererseits, verteilt. Die vehemente Kritik der Gegner legt den Schluss nahe, dass uns gleich mit Abkommensunterzeichnung der Tag des Jüngsten Gerichts bevorsteht. Fraglich ist nur, ob, wenn dem so sein sollte, die Kritiker der Besetzung dieses Schiedsgerichts dann auch nicht zustimmen werden?

Frühestens seit der Aufklärung und spätestens mit der ´68-Generation hielt eine grundlegende Skepsis über die Politik der Regierenden in breiteren Bevölkerungsteilen Einzug. Das war und ist auch gut so, denn ohne Hinterfragen und Zweifel haben es neue Erkenntnisse schwer. Ein Fortschritt wird ansonsten massiv behindert. Eine Kontrolle der Mächtigen ist richtigerweise unabdingbar. Früher definierte sich die Linke aber mit einem unbändigen Willen zur Veränderung im Sinne einer Verbesserung der Lebenssituation für die Menschen. Sie waren die Progressiven und boten den Reaktionären die Stirn. Seit einigen Jahren sind der mangelnde gesellschaftliche Veränderungswille und die Auswirkungen der Globalisierung stark zu spüren. Die Linke hatte nun ein anderes, viel moralischeres Unterscheidungskriterium gefunden: Die Guten und die Bösen. Oder anders gesagt, die aufrechten Linken und die neoliberalen Kapitalisten. Ist ein solches Weltbild einmal gefestigt, wird jede Diskussion zur Geduldsprobe.

Die Grabenkämpfe sind wieder eröffnet. In Zeiten wie diesen scheint es auszureichen, moralisch gefärbte, plakative Aktionen gegen TTIP, CETA und TiSA zu fahren. Möglicherweise fühlen sich die Verantwortlichen, der sich im Landkreis Miltenberg formierenden Bürgerinitiative gegen die Freihandelsabkommen, wohl zu sehr an ihre Jugendzeit erinnert. Rebellion gehörte da zum guten Ton. Seitdem als Konsequenz aus Fukushima die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Angela Merkel den Atomausstieg und die Energiewende festzurrte, ist so manchem im linksökologischen Lager das Reizthema abhandengekommen. Ein undifferenzierter Widerstand gegen die Freihandelsabkommen scheint die Ersatzhandlung zu sein. Doch wie lange wird diese emotional aufgeladene und faktenferne Kampagne ausreichen und andauern?

Wenig Produktives ist von den Miltenberger TTIP & Co.-Gegnern zu hören. Meist sind es hanebüchene Vergleiche mit vergangenen Privatisierungsmaßnahmen, Angstmachereien vor scheinbar drohendem Demokratieverfall und schallende Liberalismusschelten. Kein Angebot der Kritiker dringt nach außen, wie die Freihandelsabkommen als Win-win gestaltet werden könnten. Totale Ablehnung und Effekthaschereien reichen als Programm aus. Vergessen wird die lange Liste erfolgreicher multinationaler Handelsvereinbarungen und Investitionsabkommen. Übersehen werden die Bemühungen des Bundesentwicklungshilfeministers für ein Fair-Handelsabkommen. Bestritten wird die seit der Einführung des gemeinsamen Binnenmarktes innereuropäisch geübte und erfolgreiche Praxis an Liberalisierungen, Harmonisierungen und gemeinsame Standards.

Warum soll das alles prinzipiell nicht zwischen den USA, Kanada und Europa gelingen? Selbstverständlich sollten Bedenken diskutiert sowie Verhandlungstransparenz und Sachstandskommunikation verbessert werden. Denn Friede wird erst in die Hütten einkehren, wenn den Bürgern detailliert und stichhaltig die Chancen aus den Freihandelsabkommen erklärt und Risiken realistisch benannt werden. Das ist politisch machbar und dringliche Aufgabe, vorwiegend der Europapolitiker. Der hessische Landbote braucht aber in dieser Angelegenheit nicht zu erscheinen. Die Energie wäre besser auf eine Lösung des Ukraine-Konflikts, auf das Einhalt gebieten der IS-Mörderbande oder zur Bewältigung der medial kaum mehr präsenten Ebolafieber-Epidemie verwendet. Einer wäre sicher an der Seite der dort so leidenden Menschen: Georg Büchner.