Ob Martin Erdmann momentan gerne zur Arbeit geht? Kann ich nicht beurteilen. Ob sich der 61-jährige privat regelmäßig das Neo Magazin Royale anschaut? Ich bezweifele es. Sicher ist nur, dass Martin Erdmann jetzt weiß, wer Jan Böhmermann ist. Denn dem deutschen Botschafter in Ankara ist der Grimme-Preisträger aus Bremen nun gewiss ein Begriff. Ob Erdmann das Gedicht „Schmähkritik“ gut findet? Es ist auch völlig unerheblich.
Die öffentliche Diskussion jedenfalls
ist erheblich. Sie dreht sich nun also um ein Gedicht. Naja, zumindest reimen sich
die Zeilen. Millionen von Gedichtinterpreten sind auf einmal am Werk. Das kennt
man ja noch aus dem Deutschunterricht. Aus dieser Zeit sind uns auch pubertäre
Schmierereien bekannt. Die sozialen Medien überschlagen sich: Wie gefällt das
Gedicht? Darf Böhmermann das? Welche Satire ist erlaubt? Was sagt dazu der
Dönermann von Böhmermann?
In Neo Magazin Royale würde Hans Meiser bestimmt
dazu sagen: „Armens Deutschland, armes Deutschland“. Denn es hat an der
falschen Stelle gejault, als Böhmermann provozierte und seine Finger in gleich
zwei Wunden legte! Denn wir müssen dringend über zwei Sachen reden: Erstens ist
die Kunst grundgesetzgarantiert frei und kein Anlass um Botschafter
einzubestellen. Vor allem aber zweitens: Lasst uns dringend über Erdogan reden.
Hut ab, denn Böhmermann zeigt uns eindrucksvoll, dass Widerstand die Pubertät der Veränderung ist. Es muss sich auch etwas verändern. Deutschland muss es schaffen, die Flucht- und Asylsituation zu managen und dabei die Humanität nicht aus den Augen zu verlieren. Sicher, dafür brauchen wir die Türkei. Ohne Erdogan ist nicht an ein Eindämmen oder Beenden des Konfliktes in Syrien zu denken. Trotzdem muss auf den Tisch, was der Staatspräsident kritischen Journalisten, Demonstranten, kurzum Andersdenkenden, rigoros in seinem Land angedeihen lässt. Das darf niemals (mehr) in unserem Land passieren.